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Infektionskrankheiten bei Senioren

Immunschwächen im Alter

Gerade Senioren sind ganzjährig besonders anfällig für Infektionen. Ein Grund dafür ist, dass sich auch das Immunsystem mit zunehmendem Alter verändert. Dursun Arslan, Chefarzt der Abteilung Akutgeriatrie und Frührehabilitation im Sana Krankenhaus Radevormwald, klärt im Interview über die Ursachen von Infektionsanfälligkeit, Therapiemöglichkeiten und mögliche vorbeugende Maßnahmen auf.

Herr Arslan, woran liegt es, dass ältere Menschen schneller und vor allem stärker an Infektionen erkranken?

Die Gründe dafür sind vielschichtig, lassen sich aber ganz grob mit Immunschwächen durch physiologische Alterungsprozesse, chronischer Mangelernährung, vielfältigen Krankheitsbildern und auch Nebenwirkungen medikamentöser Behandlungen zusammenfassen. Eine ausbalancierte und angemessen zubereitete Kost wird im Alter oft unterschätzt oder vernachlässigt. Der damit verbundene Protein- und Nährstoffmangel schwächt das Immunsystem, verzögert die Wundheilung und die Gefahr von Infektionen steigt. Chronische Mangelernährung betrifft mittlerweile fast jeden Zwölften der über 60-Jährigen in Deutschland und ist sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Pflege eine komplexe Herausforderung. Eine verringerte Reaktionsfähigkeit als weitere Folgewirkung erhöht das Risiko für Stürze und damit verbundene Verletzungen. Auch die Haut spielt beim Infektionsschutz eine wichtige Rolle und kann im Alter für häufige Infektionen verantwortlich sein. Als äußere Barriere schützt sie vor schädlichen Umwelteinflüssen. Rückläufige Talg- und Schweißproduktion schwächt den Säureschutzmantel, was sie anfällig für ekzemartige Veränderungen und bakterielle Infektionen macht. Ein weiterer Aspekt ist der Intimbereich: Bedingt durch Inkontinenz kommt es besonders bei Frauen nicht selten zu Keimkontaminationen, die für entsprechende Beschwerden sorgen. Hier lässt sich mit guter Intimhygiene natürlich vorbeugen.

Ist das Infektionsrisiko mit einer bestimmten Altersgrenze oder Vorerkrankungen verbunden?

In den Auswirkungen von Alterungsprozessen sind in der geriatrischen Medizin noch viele Fragen ungeklärt. Wir beobachten aber beispielsweise, dass ab ungefähr dem 60. Lebensjahr die für die Immunabwehr wichtige Gammaglobulinmenge nachlässt. Darüber hinaus spielen alterstypische Erkrankungen wie Typ-II-Diabetes, Arteriosklerose, Herz- oder Niereninsuffizienz, chronisch obstruktive Bronchitis und Tumorerkrankungen eine wichtige Rolle für die Infektionsanfälligkeit. Oft kommen auch mehrere Krankheitsbilder zusammen und verschärfen damit die Situation für die Betroffenen. Notwendige Medikamente beziehungsweise deren Neben- oder Wechselwirkungen können ebenfalls für ein gestiegenes Infektionsrisiko verantwortlich sein.

Gibt es eine Rangliste mit häufigsten Infektionskrankheiten bei älteren Menschen?

Zu den häufigsten Infektionskrankheiten zählen die Influenza, also Grippe, Magen-Darm-Infektionen sowie Augen- und Ohrentzündungen. Lungenentzündungen treten zudem häufig als Folge oder Begleiterscheinung auf. Außerdem können die sogenannten Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln, Mumps oder Windpocken für Erwachsene gefährlich werden. Nicht jeder ältere Mensch – im Zusammenhang mit der Lunge sprechen wir von einem Alter ab dem 65. Lebensjahr – muss von solchen Erkrankungen schwer betroffen sein oder gar um sein Leben fürchten. Aber je nach Grad der Vorerkrankungen insbesondere der Lunge oder des Herzens steigt auch das Risiko schwerer Folgeschäden.

Kann man sich denn in irgendeiner Form vor Infekten schützen?

Gegen Lungenentzündungen zum Beispiel gibt es spezielle Atemübungen, mit denen die Atemtätigkeit an sich gefördert wird und gleichzeitig gefährliche Schleimansammlungen verhindert werden. Darüber hinaus heißt das Zauberwort Hygiene. Mitunter muss hier über Jahrzehnte gewohntes und gewachsenes Verhalten in Sachen Sauberkeit überdacht werden, sei es durch den älteren Menschen selbst oder durch (pflegende) Angehörige. Dabei ist das immer wieder zitierte gründliche Händewaschen zum Eigenschutz nur eine Seite der Medaille. Die Grundpflege mit dem Ziel, die Gesundheit der Haut zu erhalten, ist eines der obersten Gebote. Raum- und Wäschehygiene bekommen nicht nur bei inkontinenten Menschen eine größere Bedeutung, bei Erkrankungen sollte auf häufige Wechsel der Bettwäsche geachtet und Schmutzwäsche generell immer sofort aus der direkten Umgebung entfernt werden.

Wie kann denn die Geriatrie, also Altersmedizin, in einem Krankenhaus helfen?

Zunächst mal ist es wichtig, dass es die Geriatrie überhaupt gibt. Denn anders als bei jungen Menschen bringen bei Älteren Infektionen häufig die Notwendigkeit eines stationären Aufenthalts mit sich. Und da reicht es dann oft nicht, den einen Spezialisten an der Seite zu haben. In der Geriatrie betrachten wir den Menschen schon deshalb aus einem ganzheitlichen Ansatz heraus, weil im Alter oft eine sogenannte Multimorbidität vorherrscht, Erkrankte also eine Vielzahl unterschiedlicher, sich gegenseitig bedingender oder auch nur begleitender Krankheiten, mitbringen. Wir diagnostizieren dann sehr genau nicht nur das eine Symptom und setzen medikamentöse Therapien sehr bedacht und vorsichtig ein.

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Dursun Arslan

Dursun Arslan

Chefarzt der Abteilung Akutgeriatrie und Frührehabilitation, Sana Krankenhaus Radevormwald

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