Die Diagnose Demenz verändert vieles im Leben der Betroffenen – aber auch und vor allem im Leben der Angehörigen. Die Eltern, der Partner oder die Großeltern können ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen, brauchen umfassende Hilfe – oftmals rund um die Uhr. Rund 80 Prozent aller Demenzkranken werden von ihren Angehörigen versorgt und begleitet. Die Bezugspersonen übernehmen eine schwere und verantwortungsvolle Aufgabe, die sich in der Regel über viele Jahre hinweg hinzieht. Sabine Strobel, Diplom-Sozialpädagogin und Leiterin des Sozialdienstes an den Sana Kliniken Leipziger Land in Borna, zeigt auf, wie wichtig es dazu ist, sich Wissen über die Krankheit zu erwerben und zudem möglichst frühzeitig Unterstützung in Anspruch zu nehmen, bevor die Belastung zu groß wird.
Frau Strobel, die Demenzerkrankung bürdet den pflegenden Angehörigen eine kaum vorstellbare Last auf. Wie unterstützen Sie die Bezugspersonen?
Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen Angehörigen, die zu uns kommen und gerade erst von der Diagnose ihres Partners oder Elternteils erfahren haben. Meist hat sie der medizinische oder pflegerische Dienst auf uns hingewiesen. Bei solchen Erstgesprächen setzen wir vor allem auf edukative Hilfe in Form von Informationsmaterialien zur Krankheit und ihrem weiteren Verlauf. Zudem geben wir Kontakte zu weiterführenden Beratungsstellen wie die der Deutschen Alzheimer Gesellschaft oder auch regionalen Selbsthilfegruppen weiter. Darüber hinaus informieren wir auch über Möglichkeiten der Kurzzeitpflege. Bei Angehörigen, die ihren Verwandten bereits länger begleiten und pflegen, bieten wir vor allem Entlastung durch Gespräche.
Was erleben Sie in den Gesprächen?
Ganz wichtig ist es zunächst einmal ein offenes Ohr für die Angehörigen zu haben. Bei uns können sie sich die Belastungen im Alltag von der Seele reden. Für viele Pflegende ändert sich das Leben fundamental. Einen Demenzpatienten zu betreuen und zu pflegen ist ein Fulltime-Job – oft über viele Jahre hinweg. Die eigenen Bedürfnisse, die eigene Persönlichkeit gerät vollkommen in den Hintergrund. Wir versuchen in den Gespräche dabei zu unterstützen, dass sich die Angehörigen nicht selbst verlieren. Und wir zeigen Optionen zur Entlastung auf. Denn ihre Kraft wird noch für einen langen Weg gebraucht.
Sie sprachen gerade über Hilfsangebote für pflegende Angehörige. Wie sehen diese ganz konkret aus?
Niemand kann und muss die schweren Aufgaben der Angehörigenpflege auf Dauer und ganz alleine erfüllen. Auch im Interesse des Demenzpatienten ist es wichtig und ratsam, mit den eigenen Kräften hauszuhalten und sich frühzeitig nach Möglichkeiten der Beratung und Entlastung umzusehen. In Beratungsstellen wie die der Alzheimer Gesellschaft, gibt es die Möglichkeit, sich von Experten über das Krankheitsbild und die damit verbundenen Aspekte in Einzelgesprächen informieren und beraten zu lassen. Regionale Selbsthilfegruppen, die ebenfalls von Fachleuten geleitet werden, dienen dem Austausch von persönlichen Erfahrungen. Zudem bieten sie die Möglichkeit, Gefühle der Hoffnungslosigkeit, Trauer, Schuld oder Enttäuschung in einer verständnisvollen Atmosphäre frei zu äußern. Wem es lieber ist, seine Ängste und Sorgen ein wenig anonymer zu äußern, dem sei das Alzheimer-Telefon ans Herz gelegt. Dieses Angebot der Alzheimer-Gesellschaft ist auch am frühen Abend zugänglich.
Im weiteren Verlauf der Krankheit rückt sicherlich auch eine externe Unterstützung in Form von Kurzzeit- und Tagespflege in den Fokus…
Als niederschwelliges ambulantes Angebot sind zunächst einmal die Betreuungsgruppen unterschiedlicher Wohlfahrtsverbände sowie der Alzheimer-Gesellschaft zu nennen. Dort werden die Betroffenen für einige Stunden durch ehrenamtliche Helfer und eine Fachkraft in Gruppen betreut. Einrichtungen der Tagespflege sind für Patienten geeignet, die tagsüber nicht von ihren Angehörigen betreut werden können, abends und am Wochenende aber in die Familie zurückkehren. Das Programm solcher Einrichtungen umfasst meist die Beschäftigung in Gruppen sowie die körperliche und geistige Aktivierung. In der Regel verfügen die Einrichtungen über einen Fahrdienst, so dass der Hin- und Rücktransport der Betroffenen problemlos vonstattengehen kann. Die Kurzzeitpflege, als Leistung der Pflegeversicherung, findet in der Regel in einer stationären Pflegeeinrichtung statt, die mit den Pflegekassen einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Davon können Angehörige Gebrauch machen, wenn sie einen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen oder selbst erkrankt sind.
Ist denn auch eine Kur gemeinsam mit dem Demenzerkrankten möglich?
Durchaus. Kurangebote, die auf die besonderen Bedürfnisse von Demenzkranken und ihren Angehörigen zugeschnitten sind, werden zunehmend geschaffen. Sie sind speziell als Reha-Angebote für pflegende Angehörige konzipiert, die während dieser Zeit mögliche psychosomatische Störungen, wie Rückenschmerzen und depressive Erkrankungen, gezielt angehen können. Vielfach werden zudem Seminare zur Stressbewältigung angeboten. Parallel wird der Demenzerkrankte umfassend betreut. Eine solche Kur dient daher sowohl dazu, sich gezielt Zeit zum Durchatmen zu gewähren und gleichzeitig gemeinsam Zeit mit seinem dementen Partner oder Angehörigen zu verbringen.
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn sich Angehörige zu pflegepraktischen Themen weiterbilden möchten?
In diesem Fall können sie sich direkt an die Pflegeversicherung wenden. Diese bietet spezielle Schulungen zu pflegepraktischen Themen an. Dabei lernt man beispielsweise, wie man richtig lagert oder wie man mit der aufkommenden Aggression umgeht. Die Schulungen passen gut in den Alltag der Angehörigen, da sie meist nur zwei bis drei Stunden pro Tag in Anspruch nehmen und sie daher nicht auf lange externe Unterstützung angewiesen sind. Oftmals geschehen diese Kurse in Kooperation mit den örtlichen Pflegediensten und sind daher auch in ländlichen Regionen gut verbreitet.
Eine Demenz betrifft die gesamte Familie. Wie kann man Kindern und Jugendlichen, die ein enges Verhältnis zu dem betroffenen Menschen haben, die Situation näherbringen?
Vor allem kleinere Kinder sind im Umgang mit einem dementen Angehörigen oftmals ganz unbefangen. Dennoch verstehen sie meist nicht, warum sich Oma oder Opa manchmal ganz anders verhält und nicht mehr die Spiele so wie früher mitspielen kann. Bei der Erklärung können beispielsweise Bücher helfen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von ihnen zum Thema Demenz speziell für Kinder. Jugendlichen sei das Angebot „Alzheimer & You“ ans Herz gelegt. Eine eigene Website der Alzheimer-Gesellschaft, die das Thema für explizit für Jugendliche aufbereitet hat.