Miktionsstörungen reichen vom unwillkürlichen Harnverlust (Inkontinenz) bis zur Unfähigkeit die Blase zu entleeren, im Maximalfall Harnverhalt. Von Inkontinenz sind mehr Frauen, von Harnverhalt mehr Männer betroffen. Prinzipiell wird über Miktionsstörungen – oftmals aus Scham – bis heute nicht gerne geredet. Da es aber gute Therapiemöglichkeiten gibt, sollte die Scheu überwunden und der Hausarzt angesprochen werden, der dann zum Spezialisten überweisen kann, so Dr. Michael Baumann, Chefarzt für Urologie am Sana Klinikum Hameln-Pyrmont.
Formen und Behandlung von Inkontinenz
„Bei der Inkontinenz unterscheiden wir unter anderem die Belastungsinkontinenz von der Dranginkontinenz und Mischformen aus beidem: Die Belastungsinkontinenz tritt häufig nach Geburten, bei Übergewicht oder bei Männern nach Prostataoperationen auf. Hier hilft zunächst die Stabilisierung der Muskulatur durch Beckenbodentraining. Wenn dies nicht ausreicht, kommen Operationen zur Unterstützung des Schließmuskels in Frage, die durch speziell ausgebildete Gynäkologen und Urologen durchgeführt werden. Die Dranginkontinenz dagegen ist zunächst eine Domäne der medikamentösen Therapie. Sogenannte „Anticholinergika“ können das bei der Dranginkontinenz viel zu früh und zu stark auftretende Signal der Blase: „Achtung, ich bin voll, bitte Wasserlassen“ dämpfen und hinauszögern. Gelingt das nicht oder quälen Nebenwirkungen, sind wiederum die urologischen Experten gefragt. Durch Medikamentengabe direkt in die Blase, Einspritzen von Botox in die Blasenmuskulatur oder Implantation eines Blasenschrittmachers kann in den meisten Fällen deutliche Linderung herbeigeführt werden. Nur sehr selten sind größere Operationen (wie etwa Blasenersatz oder eine andere Harnableitung) erforderlich“, erklärt Dr. Baumann.
Schonende Behandlungsmöglichkeiten durch medizinische Entwicklung
„Wenn im Gegensatz dazu die Blase nicht richtig leer wird, ist bei Männern zumeist die Prostata die Ursache. Oft wird das Problem nicht bemerkt, da die Symptome nur extrem langsam fortschreiten und viele Männer sich mit der Situation des erschwerten Wasserlassens arrangieren. Unbehandelt kommt es im schlimmsten Fall zu einem Verlust der Nierenfunktion. Daher sollte unbedingt ein Facharzt für Urologie aufgesucht werden. Zur Behandlung gibt es neben pflanzlichen Präparaten auch Medikamente, die die Prostata entspannen und zum Teil auch etwas verkleinern können“, erklärt Dr. Baumann.
Reicht das nicht mehr aus und verbleibt trotz Behandlung mehr als 100 ml Restharn in der Blase, sollte ein operativer Eingriff erfolgen. Dieser wird heute vielfach schonend durch die Harnröhre mit einem Laser durchgeführt. Die medizinische Entwicklung schreitet hier rasant voran und es sind mehrere weitere schonende Verfahren, wie zum Beispiel die Behandlung mit Wasserdampf, Verödung von Blutgefäßen oder das Einbringen mechanischer Stützen in die Prostata in Erprobung. Aber auch die klassischen Verfahren wie die Elektroresektion oder die Entfernung mittels eines kleinen Schnittes im Unterbauch werden seit über 100 Jahren erfolgreich angewandt.
Insgesamt gibt es für alle Miktionsstörungen heute gute Behandlungsmöglichkeiten und Betroffene sollten die Beschwerden aus falscher Scham keinesfalls schicksalhaft hinnehmen.