Inkontinenz ist eine Volkskrankheit, die in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen beider Geschlechter und aller Altersstufen betrifft. Auftreten und Schweregrad sind dabei altersabhängig, jedoch gehört die Harninkontinenz zu den häufigsten chronischen Krankheiten der Frau.
Viele Betroffene trauen sich nicht, mit ihrem Arzt darüber zu sprechen. Dabei existiert eine Reihe wirksamer Therapien, vielen Patienten kann gut geholfen werden. Es muss sich also niemand scheuen, den Arzt um Rat zu fragen. Denn: Voraussetzung für eine erfolgreiche Erkennung und Therapie ist im ersten Schritt das offene und vertrauensvolle Gespräch mit einem spezialisierten Arzt, bestmöglich in einem zertifizierten Beckenboden-Kontinenzzentrum. Hier erfolgt dann auch im nächsten Schritt eine individuelle, ganzheitliche Therapie bei der alle Spezialisten fächerübergreifend zusammenarbeiten. Dr. Eva-Maria Robel, Leitende Oberärztin des Beckenboden-Kontinenzzentrums der Sana Kliniken Leipziger Land in Borna, erklärt, welche Formen der Blasenschwäche auftreten können und welche Rolle dabei das Alter spielt.
Welche unterschiedlichen Formen der Blasenschwäche gibt es und wie können diese behandelt werden?
Die häufigste Form bei Frauen ist die Belastungsinkontinenz. Wie der Name schon sagt, spielen hierbei körperliche Belastungen eine zentrale Rolle – etwa plötzliches Husten oder Niesen, spontanes Lachen, das Anheben schwerer Lasten oder auch bestimmte Sportarten. Es handelt sich hierbei um eine Schließmuskelschwäche: Erhöht sich der Druck im Bauchraum, erhöht sich auch der Druck auf die Blase und der Schließmuskel kann nicht ausreichend Gegendruck aufbauen, so dass Urin verloren geht. Ursache hierfür ist häufig eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, beispielsweise durch eine Schwangerschaft. Dabei spielt auch die Art der Entbindung eine nicht zu unterschätzende Rollre: Das Risiko einer zumindest zeitweisen Inkontinenz steigt nach einer instrumentellen Entbindung (Zangen- oder Saugglockenentbindung) mehr als nach einer Spontangeburt. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, chronische Verstopfung, schwere körperliche Arbeit, eine angeborene Bindegewebsschwäche sowie Operationen im Bereich des kleinen Beckens, etwa die Entfernung der Gebärmutter. Eine Senkung der weiblichen Beckenorgane kann unter Umständen eine Inkontinenz bewirken, aber gegebenenfalls auch verschleiern.
Eine weitere Form ist die Dranginkontinenz. Wie äußert diese sich und welche Risikofaktoren gibt es?
Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene urplötzlich und sehr dringend zur Toilette, und ist nicht in der Lage, die Blase zu kontrollieren – egal wie voll sie ist. Man spricht hierbei auch von einer „überaktiven Blase“. Sie stellt bei Frauen die zweithäufigste Art der Inkontinenz dar. Häufig überlappen die Beschwerden sich aber auch, dann spricht man von einer Mischharninkontinenz. Die Dranginkontinenz kann durch chronische Harnwegsinfekte, durch Fehlverhalten im Umgang mit der Blase oder Alterungsvorgängen begünstigt werden, oder auch auf neurologische Probleme zurückgehen wie zum Beispiel einer Multiplen Sklerose.
Welche Rolle spielt der Alterungsprozess?
Eine wichtige, insbesondere da die Lebenserwartung in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Die Inkontinenz im Alter ist zum einen Folge einer zunehmenden Bindegewebsschwäche, einer muskulären Insuffizienz sowie eines Hormonmangels, zum anderen kann sie aber auch mit der Multimedikation im Alter, Einschränkung der Kognition oder der Mobilität mit Schwierigkeit des rechtzeitigen Erreichens der Toilette, zum Beispiel durch Notwendigkeit von Gehhilfen, zusammenhängen.