Eine junge Patientin ohne Haare und eine Ärztin lachen zusammen

Wie passt das zusammen?

Humor und Palliativmedizin

Sehr gut! Das weiß Diplom-Schauspielerin, Rednerin und Humortrainerin Katrin Hansmeier. Eines ihrer Fachgebiete ist der „Humor in der Palliativversorgung“. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und arbeitet bei den Sana Kliniken Lübeck als Supervisorin für das Team der Palliativstation. Im Interview verrät sie, wie Humor dabei helfen kann, Unerträgliches erträglicher zu machen.

Sie bieten Humorseminare für Mitarbeitende auf Palliativstationen an. Wie passt Humor mit Krankheit oder Sterben zusammen?

 

Katrin Hansmeier: Humor ist eine Bewältigungsstrategie, und zwar in allen Lebenslagen – obwohl wir ihn gerade in Deutschland gerne ausklammern, wenn es um Krankheit oder Sterben geht. Genauso, wie wir den Tod an sich gerne ausklammern. Doch der Tod gehört zum Leben, genauso wie Humor – warum sollte er plötzlich weg sein, wenn wir krank werden oder sterben?

Gerade bei einer schweren Krankheit tut er gut, weil er uns entspannt und uns hilft, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Humor macht unerträgliche Situationen erträglich. Auf Palliativstationen wird oft sehr viel gelacht, und meist sind es die Kranken, von denen der Humor ausgeht. Die Angehörigen und Mediziner sind dann häufig irritiert und wissen nicht, ob sie da mitmachen dürfen.

Und, dürfen Sie mitmachen?

 

Katrin Hansmeier: Auf jeden Fall! Humor ist immer ein Angebot, das man aufgreifen sollte. Auf einer onkologischen Station bat mich die Stationsschwester, für einen schwer kranken älteren Herren eine Ente, also eine Urinflasche, zu holen. Da rief mir der ältere Herr nach: „Ach, bringen Sie doch noch einen Erpel mit!“ Das war nicht der Witz des Jahres, aber dieser Patient hat ganz klar signalisiert: „Mir geht es zwar richtig dreckig und vielleicht sterbe ich auch bald, aber ich möchte Humor.“

Humor ist immer eine Einladung, da muss ich erstmal nichts anderes machen, als darauf einzugehen. Und umgekehrt kann auch ich zu Humor einladen, sollte dabei aber auf meinen Humorstil achten.

Welche Humorstile gibt es?

 

Katrin Hansmeier: Wir unterscheiden den abwertenden und den aufwertenden Humor. Stellen Sie sich vor, Ihrem Gegenüber fällt ein Glas Wasser aus der Hand. Dann können Sie sagen: „Sie können aber gut loslassen, das übe ich in meinem Yoga-Kurs schon seit Jahren.“ Der aufwertende Humor ist entspannend und ungefährlich. „In Ihrem Alter kann man eben nicht mehr so gut das Wasser halten“ ist abwertender Humor. Er ist anspannend und häufig gefährlich in der Kommunikation, insbesondere wenn man sich nicht so gut kennt.

Eine Ausnahme: Patienten dürfen natürlich abwertenden Humor über sich selbst machen. Eine Patientin fragte einmal ihren Arzt: „Was ist der Unterschied zwischen einer 92-Jährigen und einem runden Tisch? An einen runden Tisch geht immer noch einer ran.“ Der Arzt hat herzlich gelacht, aber er hätte diesen Witz nicht machen dürfen.

In welchen Situationen schadet Humor eher?

 

Katrin Hansmeier: Wer zum Beispiel erfährt, dass er eine schwere Krankheit hat, ist meistens in einem Schockzustand und empfindet erstmal keine heitere Gelassenheit. Da würde ich keinen Humor einsetzen und abwarten. Wenn ein wenig Zeit vergangen ist und die Menschen anfangen, bestimmte Dinge zu akzeptieren oder aus einer anderen Perspektive zu sehen, setzt meist auch der Humor wieder ein. Oft kommt es ein Stück zeitversetzt, dass wir wieder durchatmen und über eine Unzulänglichkeit lachen können.

So war es auch bei einem Mann, dessen Bein gerade amputiert wurde. Als der Pfleger ins Zimmer kam, lief gerade Fußpilzwerbung im Fernsehen. Der Pfleger dachte sich noch: „Na, manche Dinge erledigen sich von allein.“ Das hätte er natürlich niemals sagen dürfen. Aber ein paar Sekunden später sagte der Patient: „Sehen Sie, manche Probleme erledigen sich von allein.“

Wir nehmen eine Störung oder Unzulänglichkeit und machen etwas daraus: Das ist Psychohygiene, genauso wie schwarzer Humor, der oft umso finsterer wird, je schwerer eine Erkrankung ist. Humor macht uns in solchen Situationen handlungsfähig und gibt uns unsere Würde zurück. Die Würde leidet ja sehr, wenn wir palliativ betreut werden: Wir können ganz viele Dinge nicht mehr und müssen Hilfe annehmen. Da ist Humor ein Schmiermittel in der Kommunikation untereinander.
 

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Wie schaffen es Patienten, Angehörige und Mitarbeitende in der Palliativmedizin, sich ihren Humor zu bewahren?

 

Katrin Hansmeier: Ich rede da gerne von einem Humorkonto, in das ich regelmäßig einzahle, um in einer Krisenzeit davon abheben zu können. Es hilft, im Alltag ganz bewusst auf witzige Momente zu achten oder sich darüber auszutauschen, worüber man heute gelacht hat. Lustige Begebenheiten kann man auch in einem Humortagebuch festhalten.
Ich kenne Palliativstationen, die genau das tun und mit ihren Patienten zusammen witzige Geschichten sammeln. Außerdem kann ich die Technik des positiven Umdeutens nutzen: Wenn mir als Ärztin ein Missgeschick passiert, deute ich es um und bringe andere damit zum Schmunzeln. Stolpere ich, kann ich zum Beispiel sagen: „Ich wollte Ihnen schon immer mal zu Füßen liegen.“

In Ihren Workshops sagen Sie, dass Humor nicht nur Psychohygiene und Bewältigungsstrategie ist, sondern auch als Stressprophylaxe wirkt. Inwiefern?

 

Katrin Hansmeier: Humor entspannt uns und lässt uns weiteratmen in Situationen, in denen uns der Atem wegbleibt oder wir die Sprache verlieren. Wenn wir lachen, spannen sich 80 Muskeln im Körper kurz an und entspannen sich wieder. Außerdem atmen wir ordentlich ein, bekommen Sauerstoff in die Lungen, ins Blut, ins Gehirn. Unser Körper schüttet Endorphine und im besten Fall das Bindungshormon Oxytocin aus. Wir können professionell weiteragieren und verlassen den klassischen Stammhirnmodus, in dem wir permanent Stresshormone ausschütten und viele Handlungsmöglichkeiten ausschließen.

Durch Humor bekommen wir Weitblick: Humorvolle Menschen haben eine sehr hohe Ambiguitätstoleranz, das heißt, sie halten Widersprüchlichkeiten aus. Es muss nicht nur schwarz und weiß sein, es kann auch beides gleichzeitig sein: Schmerz und Humor gehen ineinander über. Humor ignoriert den Schmerz nicht, aber er macht ihn erträglich. Deshalb passt er so gut in die Palliativmedizin.

Vielen Dank für das Interview.

 

Mehr Informationen zu Katrin Hansmeier und ihrer Arbeit gibt es unter www.katrinhansmeier.de.

 

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