Eine Hand hält eine andere Hand fest

Interview mit einer ehrenamtlichen Hospizhelferin

„Meine Angst vor dem Tod ist weniger geworden.“

Seit eineinhalb Jahren begleitet Elke Siebert als ehrenamtliche Hospizhelferin Menschen, die kurz vor dem Tod stehen. Die 62-Jährige besucht auch regelmäßig die Palliativstation des Sana Klinikums Offenbach. Im Interview erzählt Elke Siebert, die hauptberuflich als Sekretärin arbeitet, warum sie in ihrer Freizeit Menschen beim Sterben begleitet und was das mit ihrer eigenen Sicht auf das Leben und den Tod macht.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich ehrenamtlich in der Hospizarbeit zu engagieren?

Elke Siebert: Als meine Mutter vor einigen Jahren im Sterben lag, fühlte ich mich sehr hilflos und allein. Ich wusste nicht wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Zum Glück haben mich das Pflegepersonal und die Ärzte im Krankenhaus einfühlsam und professionell aufgefangen. Sie haben auch meiner Mutter einen friedlichen Übergang ermöglicht. Ich durfte die ganze Nacht über bei ihr bleiben, bis sie gegen Mittag starb. So konnte ich mich in aller Ruhe von ihr verabschieden. Das Krankenhauspersonal hat mir liebevoll sein Mitgefühl ausgedrückt und mir Trost gespendet. Das tat mir sehr gut und ich fühlte mich nicht mehr so verloren. In diesem Moment war für mich klar, dass ich ebenfalls Menschen in dieser letzten Phase unterstützen möchte – so wie ich unterstützt wurde.

Braucht man für diese Tätigkeit bestimmte Vorkenntnisse oder wie kann man sich qualifizieren?

Elke Siebert: Wer ehrenamtlicher Hospizhelfer werden möchte, sollte sich medizinisches Grundwissen über den Sterbeprozess aneignen. Ebenso sind rechtliche und ethische Grundkenntnisse erforderlich. Eine Ausbildung wird von verschiedene Hospizorganisationen angeboten. Ich habe meine Ausbildung zum Beispiel in der Ökumenischen Hospizbewegung Offenbach gemacht. Außerdem sollte man Einfühlungsvermögen und Belastbarkeit mitbringen. Selbstschutz ist ebenfalls sehr wichtig.

Was meinen Sie damit?

Elke Siebert: Auch wenn ich sehr gerne Hospizhelferin bin, muss ich aufpassen, dass ich mich psychisch und physisch nicht überfordere. Ich fühle mit den Menschen, tröste sie und begleite sie in den Tod. Damit mir das alles nicht zu nahe geht, muss ich eine emotionale Distanz wahren und Grenzen setzen, mich also schützen. Meine eigene Gesundheit hat Vorrang. Nur so kann ich mein Ehrenamt professionell ausüben.

Was genau machen Sie während Ihrer Einsätze?

Elke Siebert: Ich besuche die Menschen entweder zu Hause, im Pflegeheim, im Hospiz oder in der Klinik. Wenn ich dort ankomme, schaue ich zuerst, wie es dem Patienten heute geht: Wie ist seine Stimmung? Was möchte er gerne tun? Danach richte ich mich. Wenn es der Gesundheitszustand zulässt, gehen wir spazieren, einkaufen oder essen zusammen Kuchen. Manche wollen reden, andere freuen sich einfach, dass ich da bin. Das ist ganz unterschiedlich. In meine Begleitung beziehe ich auch die Angehörigen mit ein. Viele fühlen sich mit der Situation, dass ein geliebter Mensch stirbt, überfordert. Sie möchten reden und brauchen Trost und Verständnis.

Wie kann man über das Sterben reden?

Elke Siebert: Die meisten Menschen haben Angst, über den Tod zu sprechen. Vor allem Betroffenen fällt es schwer, mit ihren Angehörigen über das Sterben zu sprechen. Sie wollen sie nicht belasten. Mit mir können sie darüber reden. Ich höre zu und nehme die Ängste ernst, ohne sie zu bewerten. Mir ist es wichtig, offen und ehrlich über den Tod zu sprechen und ihn nicht zu tabuisieren.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie begegnen, und wie gehen Sie damit um?

Elke Siebert: Die größte Herausforderung für mich ist, dass ich nie weiß, in welchem Zustand ich die Patienten vorfinde, wenn ich sie besuche. Das kann sich von Tag zu Tag ändern. An einem Tag ist die Person gut gelaunt und scherzt, am nächsten Tag liegt sie deprimiert im Bett und es kommt kein Gespräch zustande. Es kann auch passieren, dass Patienten plötzlich total verzweifeln und ihre Wut an mir auslassen.
Wenn es dem Patienten gut geht, dann fühle ich mich auch gut. Geht es ihm schlecht, dann macht mich das traurig und ich überlege, wie ich ihm eine Freude machen kann.

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Wie erleben Sie Menschen, die kurz vor dem Tod stehen?

Elke Siebert: Da sehe ich große Unterschiede. Es gibt Menschen, die sich ganz bewusst vom Leben verabschieden. Sie regeln ihre finanziellen und persönlichen Angelegenheiten. Sie organisieren ihre Beerdigung und ihren Nachlass, erstellen eine Patientenverfügung und besprechen sie mit ihren Angehörigen.
Dann erlebe ich Menschen, die mit aller Kraft versuchen, das Unaufhaltsame aufzuhalten. Sie können nicht loslassen. Dabei ist das Loslassen ein ganz wichtiger, wenn auch sehr schmerzhafter Prozess, sowohl für den Sterbenden, als auch für die Angehörigen. Andere wiederum verdrängen den bevorstehenden Tod und tun so als wäre alles wie immer. Das macht es für die Angehörigen besonders schwer, da sie nicht richtig Abschied nehmen können.

Ziehen Sterbende noch einmal Bilanz über ihr Leben? Gibt es Dinge, die sie anders gemacht hätten?

Elke Siebert: Wer sich bewusst mit dem Tod auseinandersetzt, der zieht auch Bilanz über sein Leben. Ob die Bilanz gut oder schlecht ausfällt, hängt meiner Meinung nach davon ab, wie zufrieden der Mensch insgesamt mit seinem Leben war. Manche sind dankbar für das Leben, das sie hatten, andere hadern damit und bereuen Dinge, die sie getan oder nicht getan haben.

Gibt es ein besonders eindrückliches Erlebnis aus Ihrer Arbeit?

Elke Siebert: Im Rahmen meiner Ausbildung musste ich ein Praktikum bei einem Pflegedienst absolvieren. Wir besuchten eine 80-jährige Dame, die sehr krank war, aber noch so viel Lebensfreude ausstrahlte, obwohl sie wusste, dass sie bald sterben würde. Sie begrüßte die Pflegerin und mich mit großer Freude und Herzlichkeit und bedankte sich, dass wir Zeit für sie hatten und sie und ihre Anliegen ernstnahmen. Dieses Vertrauen und die Dankbarkeit, die sie uns entgegenbrachte, haben mich sehr berührt und beeindruckt.

Wie beeinflusst Ihre ehrenamtliche Tätigkeit Ihr eigenes Leben und Ihre Sichtweise auf das Leben und den Tod?

Elke Siebert: Ich bin dem Leben gegenüber demütiger geworden, nehme es nicht mehr als selbstverständlich hin, sondern genieße es mehr. Durch meine Arbeit habe ich gelernt, die unterschiedlichen Sichtweisen und den Umgang mit dem Tod zu akzeptieren. Auch meine eigene Angst vor dem Tod ist weniger geworden. Wenn ich eine Begleitung verlasse, fühle ich eine gewisse Zufriedenheit. Ich habe dem Menschen etwas sehr Wichtiges geschenkt: Zeit und Zuwendung.

Vielen Dank für das Interview.

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