Schmerz- und angstfreie Operationen oder diagnostische Eingriffe – dank moderner Anästhesieverfahren kein Problem. PD Dr. Sebastian Hafner, Chefarzt des Zentrums für Anästhesiologie der Sana Kliniken Landkreis Biberach, gibt einen Überblick über die wichtigsten Verfahren und erklärt, was Patienten bei einer Narkose erwartet und wie sie sich am besten vorbereiten können.
Welche Möglichkeiten beziehungsweise Verfahren gibt es?
Grundsätzlich gibt es zwei Hauptverfahren: Die Vollnarkose und die Regionalanästhesie, also die örtliche Betäubung. Bei der Vollnarkose werden das Bewusstsein sowie das komplette Schmerzempfinden ausgeschaltet. Neben dem eigentlichen Narkotikum werden dabei nach Bedarf auch Schmerzmittel und Medikamente zur Muskelentspannung verabreicht.
Und bei der örtlichen Betäubung?
Bei der örtlichen Betäubung schalten wir nur in einem einzelnen Körperabschnitt das Schmerzempfinden aus, aber nicht das Bewusstsein. Je nach Eingriffsort gibt es dabei verschiedene Möglichkeiten, so können beispielsweise auch große Nervenstränge gezielt betäubt werden. Die Weiterleitung von Schmerzsignalen zum Gehirn wird dadurch bereits im betäubten Arm oder Bein unterbrochen.
Wie kann man sich den Ablauf einer Narkose vorstellen?
Vor jeder Anästhesie finden ein ärztliches Aufklärungsgespräch und eine Voruntersuchung statt. Hier werden in Ruhe offene Fragen geklärt, über mögliche Risiken informiert und das für den Patienten am besten geeignete Verfahren individuell festgelegt. Am OP-Tag wird dann anhand einer Sicherheitscheckliste, die immer beim Patienten bleibt, mehrfach überprüft, ob Untersuchungsergebnisse und Unterlagen vollständig sind, der Patient nüchtern ist etc. Das ist durchaus vergleichbar mit dem Check, den Piloten durchführen. Im OP wird der Patient kontinuierlich mittels EKG-Monitor, Blutdruck- und Sauerstoffmessung überwacht. Für alle Narkoseformen ist zudem ein Infusionszugang erforderlich, für den eine Vene punktiert wird. Wir Anästhesisten sind hierin besonders geübt, schließlich ist das eine unserer häufigsten Tätigkeiten. Bei einer Vollnarkose wird anschließend das Narkosemittel über die Infusion verabreicht. Schon nach wenigen Sekunden schläft der Patient sehr angenehm ein. Während der Narkose ist der Atemantrieb gedämpft, daher wird über eine Kehlkopfmaske oder einen Silikonschlauch, den Endotrachealtubus, die Atemfunktion von einem Beatmungsgerät übernommen. Am Ende des Eingriffs können wir die Narkose auf die Minute genau beenden und der Patient erwacht schmerzfrei, ohne Übelkeit und ohne zu frieren. Hier hat die Anästhesie durch die Entwicklung neuer Medikamente und Verfahren in den letzten Jahren sehr große Fortschritte gemacht.
Und wie läuft eine örtliche Betäubung ab?
Bei der Lokal- und Regionalanästhesie werden Nerven mit einem örtlichen Betäubungsmittel umspült, was zu einer vorübergehenden Ausschaltung der Nervenleitung führt. Auch hier hat sich die Anästhesie zum Wohle des Patienten weiterentwickelt. So können wir heute mit hochauflösenden Ultraschallgeräten die einzelnen Nerven exakt lokalisieren und ganz gezielt betäuben. Nach wenigen Minuten setzt auch hier die Wirkung ein und der Arm oder das Bein ist komplett eingeschlafen. Für die Betäubung der gesamten unteren Körperhälfte bietet sich die Spinal- oder Periduralanästhesie an, bei der am Rücken mit einer extrem dünnen Kanüle eine kleine Menge Lokalanästhetikum in den Nervenwasserkanal gespritzt wird. Der Patient spürt dabei in der Regel nur den ersten Einstich für die Betäubung der Haut und dann, wie die Beine allmählich warm und schwer werden. Um es dem Patienten während der Punktion so angenehm wie möglich zu machen, verabreichen wir bei all diesen lokalen Verfahren im Wachzustand bei Bedarf auch kurzwirksame sedierende Medikamente über die Infusion.
Wann ist eine Regionalanästhesie besser als eine Vollnarkose?
Das kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt entscheidend von den Vorerkrankungen des Patienten, der Art und Dauer des Eingriffs sowie weiteren Faktoren ab. Die Sicherheit für den Patienten steht immer an erster Stelle, sodass in jedem Fall das individuell beste und schonendste Verfahren ausgewählt wird.
Und bestehen Risiken?
Jeder medizinische Eingriff birgt Risiken, über die der Patient im Vorfeld ausführlich aufgeklärt wird. Glücklicherweise sind Komplikationen in der Anästhesie heutzutage sehr selten geworden, sodass eine Narkose statistisch gesehen ungefährlicher ist als beispielsweise Autofahren. Jeder Patient kann darüber hinaus aktiv dazu beitragen, Risiken weiter zu reduzieren. So muss etwa das Nüchternheitsgebot vor der OP unbedingt eingehalten werden. Sechs Stunden vor dem Eingriff darf nichts mehr gegessen werden; bis zwei Stunden vor dem Eingriff darf noch getrunken werden, jedoch keine Milch und keine Säfte mit Fruchtfleisch. Diese und andere Verhaltensregeln tragen zur Sicherheit bei; ebenso unzählige weitere Maßnahmen, die vom Patienten unbemerkt im Hintergrund ablaufen.