Foto zweier Ärzte in OP-Kleidung und mit Gummihandschuhen im OP-Saal.

Mehrweg- versus Einweg-OP-Textilien

Wann ist Einweg und wann ist Mehrweg die ökologisch bessere Variante? Die Krux: Das ist bei jedem Produkt anders. Der Einsatz von Mehrwegprodukten fördert jedenfalls nicht grundsätzlich die Nachhaltigkeit im Krankenhaus. Daher entwickelt Sana derzeit im Pilotprojekt ein Entscheidungsmodell, wann bei OP-Textilien Einweg oder Mehrweg eingesetzt werden soll.

Ein zunehmendes Bewusstsein für die enormen Abfallmengen führt in vielen Bereichen zu einer Rückkehr zu wiederverwendbaren Artikeln. Auch für Krankenhäuser liegt die Vermutung nahe, dass eine Umstellung von Einweg- auf Mehrwegprodukte ökologische Vorteile bieten könnte –  doch die Vorteile hinsichtlich Ökologie und Ökonomie können nicht pauschal bewertet werden.

Der Umstieg auf Mehrwegprodukte fördert nicht zwangsläufig die Nachhaltigkeit im Krankenhaus. Aufgrund der vermeintlich geringeren Kosten, insbesondere der geringeren Anschaffungskosten, dominieren Einwegartikel derzeit den Einkauf im Krankenhaus – ihr Anteil liegt bei rund 60 Prozent.

Wiederaufbereitungsprozesse verursachen höheren Energieverbrauch


Durch den Einkauf großer Mengen, insbesondere von Einwegartikeln, können Skaleneffekte erzielt und Verpackungen reduziert werden. Mehrwegartikel müssen hingegen vor der Wiederverwendung entsprechend aufbereitet werden, um Kreuzkontaminationen zu vermeiden. Diese Wiederaufbereitungsprozesse können einen hohen Ressourcen- und Energieverbrauch mit sich bringen und unter Umständen durch häufige Wiederholungen sogar zu einer ökologischen Belastung hinsichtlich Wasserverbrauch und Chemikalienbelastung führen.

Analyse des kompletten Produktlebenszyklus


Ein allgemeingültiger Vergleich der Produktvarianten ist daher grundsätzlich nicht möglich, da interne Prozesskosten berücksichtigt werden müssen. Darüber hinaus sollte bei einem Vergleich der Umweltauswirkungen von Einweg- und Mehrwegartikeln der gesamte Produktlebenszyklus – von der Herstellung des Primärmaterials bis zur Entsorgung – betrachtet werden. Zudem sind die Anschaffungskosten für Mehrwegartikel in der Regel höher, wobei sich dies durch die Anzahl der Wiederverwendungen relativieren kann. Daher sollte nicht nur die Anfangsinvestition betrachtet werden, sondern die gesamte Nutzungsdauer.

Nachhaltigkeit wird derzeit in Kliniken nur bedingt bei Einkaufsentscheidungen berücksichtigt. Während die Kosteneffizienz oft eine übergeordnete Rolle spielt, bleibt der ökologische Fußabdruck häufig zweitrangig. Dies liegt nicht nur an den oft schwierig zu quantifizierenden negativen externen Effekten wie CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch, sondern auch daran, dass es eine Herausforderung ist, diese Effekte derart aufzubereiten und vergleichbar zu machen, dass sie in die Entscheidungsprozesse einfließen können.

Ökobilanzen ermitteln Ressourcenverbrauch


Um den ökologischen Fußabdruck eines Medizinprodukts zu erfassen, können sogenannte Life-Cycle-Assessments (LCA) durchgeführt werden. LCAs, auch Ökobilanzen genannt, ermitteln den Energie- beziehungsweise Ressourcenverbrauch einzelner Produkte, indem sämtliche Prozessschritte von der Produktion, dem Transport zum Krankenhaus, der dortigen Verwendung, möglichen Wiederaufbereitungsschritten und letztendlich der Entsorgung detailliert untersucht werden.

Dieses Analysetool kann für einen objektiven Vergleich einzelner Produkte eingesetzt werden. Während sich die höchsten Emissionen bei Einwegprodukten vor allem auf die Prozessschritte der Produktion und der Entsorgung fokussieren, stehen bei Mehrwegartikeln die ressourcenintensiven Wiederaufbereitungs- und Reinigungsprozesse im Vordergrund.

Praxisnahes Entscheidungsmodell im Aufbau


Zur Einzelfallentscheidung braucht es ein individuell anpassbares Modell zur Beurteilung der jeweiligen Vorteile des Einweg- oder Mehrwegprodukts. Zu diesem Zweck entwickelt Sana derzeit ein praxisnahes Entscheidungsmodell, das am Beispiel von OP-Textilien erprobt wird.

Die Berufskleidung von Sana besteht bereits seit mehreren Jahren aus umweltfreundlichen Tencel-Fasern. OP-Textilien wie Abdecktücher, Kittel und Funktionskleidung sind hingegen häufig Einwegartikel aus Kunststoff. Eine Analyse von Sana und der Technischen Universität Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass durch den Einsatz von Mehrwegtextilien im OP nicht nur der Abfall, sondern auch der CO2-Ausstoß um 30 bis 50 Prozent verringert werden kann. Die Analyse zeigte aber auch: In bestimmten Bereichen sind Einweglösungen nachhaltiger.

Das evidenzbasierte Entscheidungsmodell soll Einkäufer künftig befähigen, individuell zu entscheiden, ob für ihre jeweilige Einrichtung das Einweg- oder das Mehrwegprodukt die nachhaltigere Alternative ist. Dabei sollen sowohl ökonomische, ökologische und soziale Kriterien als auch die Kosten berücksichtigt werden. Die endgültige Entscheidung soll auf den tatsächlichen Kosten basieren, die sowohl direkte als auch indirekte Kosten umfassen.

Das Video zum Projekt

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