Borna

Transitorisch-ischämische Attacke

Der Schuss vor den Bug

Probleme beim Sprechen, eine gelähmte Hand, ein taubes Bein: Auch wenn solche Symptome nach kurzer Zeit wieder verschwinden, können sie Vorboten eines größeren Schlaganfalls sein – Mediziner sprechen von einer transitorisch-ischämischen Attacken (TIA). Warum eine solche TIA ein ernstzunehmender Notfall ist, erläutert Dr. Alexander Reinshagen, Chefarzt der Neurologie am Sana Klinikum Borna und Regionalbeauftragter der Deutschen Schlaganfallhilfe vor dem Hintergrund des Weltschlaganfalltages am 29. Oktober

Herr Dr. Reinshagen, sie werden nicht müde zu mahnen. Warum?
Reinshagen: Weil es immer noch nötig ist. Leider erkennen nach wie vor viele Menschen die Anzeichen eines Schlaganfalls nicht oder zögern zu lange, den Notruf zu wählen. Das ist insofern fatal, als es bei einem Schlaganfall auf jede Minute ankommt, um Hirnzellen zu retten und Funktionen zu erhalten. Je früher der Patient in einem Schlaganfall-Zentrum eintrifft und Diagnostik und Therapie beginnen, desto geringer sind die Folgeschäden. Viele vergessen: Ein Schlaganfall ist die häufigste Ursache für Behinderung im Alter und die dritthäufigste Todesursache in entwickelten Ländern.

Was sind denn typische Warnzeichen für einen Schlaganfall?
Die häufigsten Symptome eines Schlaganfalls sind akut auftretende einseitige Lähmungen, Beeinträchtigungen der Sprache bzw. des Sprachverständnisses, Taubheitsgefühle, Sehstörungen oder auch Schwindel mit Gangunsicherheit, seltener auch akut einsetzende starke Kopfschmerzen. Mit dem FAST-Test lässt sich innerhalb kürzester Zeit der Verdacht auf einen Schlaganfall überprüfen. 

FAST-Test?
Der Test stammt aus dem englischsprachigen Raum und steht für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Dabei bittet man die Person, bei der der Verdacht auf einen Schlaganfall besteht, gewisse Dinge zu tun. Fallen dabei Fehler auf, muss unverzüglich die 112 gewählt und die Person in die nächste Klinik – im Idealfall mit Schlaganfallstation, auch: »Stroke Unit« – gebracht werden. 

Treten solche Symptome nur bei einem Schlaganfall auf?
Nein. Auch bei einer so genannten transitorischen ischämischen Attacke – kurz: TIA – treten diese Symptome auf, verschwinden aber nach kurzer Zeit wieder. Grund zur Entwarnung oder zum Zögern ist das jedoch nicht. 

Was genau ist eine solche transitorische ischämische Attacke?
Eine TIA ist, wenn man so will, der »kleine« Schlaganfall. Wie dieser entsteht die TIA durch ein Blutgerinnsel im Gehirn. Wenn dieses durch das gerinnungseigene System wieder aufgelöst werden kann, bezeichnet man das im Nachgang als TIA. Sie weist die gleichen plötzlichen Symptome auf, wie der vollendete Schlaganfall. Im Gegensatz dazu bilden sich diese bei der TIA innerhalb weniger Minuten zurück.

Also alles halb so schlimm?
Im Gegenteil! Eine TIA ist wie ein »Schuss vor den Bug«. Die beim ersten Mal ggf. nur kurzzeitig aufgetretenen Schlaganfall-Symptome können nach Stunden bis wenigen Tagen erneut, und dann bleibend, auftreten und zu Behinderung oder Tod führen; Patienten mit einer TIA haben am meisten zu verlieren! Bei etwa jedem fünften Schlaganfall gab es zuvor eine TIA – und das meist in den letzten Stunden oder bis zu drei Tagen im Voraus. Für uns Mediziner ist es immer wieder dramatisch, wenn Menschen früh mit einem Schlaganfall aufwachen und uns dann berichten, solche Symptome am Vorabend schon mal kurz gehabt zu haben – hätten diese den Notruf getätigt, hätte der Schlaganfall mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. 

Wie reagiere ich richtig?
Die transitorische ischämische Attacke ist deshalb genauso ein Notfall wie ein »richtiger« Schlaganfall. Bemerken sie bei sich oder anderen also Anzeichen eines Schlaganfalls, auch wenn diese sich schnell wieder zurückgebildet haben, rufen Sie sofort einen Rettungswagen (112), auch der beschwerdefreie Patient ist ein Notfallpatient! Und:  Fahren Sie nicht selber mit dem Auto in die Klinik: Sollten die Symptome wieder eintreten, gefährden Sie nicht nur sich. 

Also lieber einmal zu viel den Notruf wählen als einmal zu wenig?
Unbedingt. Stellt sich bei der Untersuchung in der Klinik heraus, dass tatsächlich eine transitorische ischämische Attacke die Symptome verursacht hat, bricht über den Patienten eine Kaskade von Untersuchungen herein, um den nächsten Hirnschlag und damit  gravierenden Folgen, wie dauerhafte Behinderung oder Tod, abzuwenden.

Was kann man tun, das es gar nicht erst so weit kommt?
Hilflos ausgeliefert sind wir der Gefahr eines Schlaganfalls nicht. Ein gesunder Lebensstil mit täglicher Ausdauerbewegung, sog. »mediterraner« Ernährung, Normalgewicht und  Rauchstopp kann das Risiko für Gefäßerkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt aber auch Demenz deutlich senken. Für Herzrhythmusstörungen, die im Alter häufig zu einem Schlaganfall führen, gibt es sehr gute vorbeugende Medikamente. 

 

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