Bad Wildbad

Das internationale Treffen der RIMS am 23. Und 24. Oktober 2015 im Neurologischen Rehabilitationszentrum Quellenhof lockte viele hochkarätige Gäste nach Bad Wildbad.

Quellenhof Gastgeber für Spezialisten aus 12 Nationen

Unter dem Titel „Improving functioning in persons with MS - Practical aspects and theoretical reflections” trafen sich am 23. und 24. Oktober 2015 über 40 wissenschaftlich tätige Mitglieder der "Special Interest Group (SIG) Mobility" der europäischen Organisation „Rehabilitation in MS (RIMS)“ im Neurologischen Rehabilitationszentrum (NRZ) Quellenhof in Bad Wildbad. Diese Gruppierung, die sich vor allem mit der Bewegungstherapie bei MS beschäftigt, tauschte mit insgesamt 20 eigenen Beiträgen ihre Erfahrungen in der Physio- und Sporttherapie, auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau aus. Die Präsentationen reichten vom Segeln in der Lagune von Venedig in speziell adaptierten Segelbooten über den Einsatz moderner Medien wie internetbasiertes Coaching oder Wii-Konsolen bis hin zu Überlegungen zu Herz-/Kreislauffunktionen bei MS-Betroffenen. Ein reger interdisziplinärer Austausch war ebenso gefragt wie erstklassige Vorträge von anerkannten Spezialisten aus dem ärztlichen und therapeutischen Bereich.

Nach der Begrüßung durch Peter Feys, Belgien, Präsident von RIMS und Anders Romberg, Finnland, Vorsitzender der SIG Mobility, machte Prof. Dr. med. Flachenecker den Anfang mit einem Vortrag über das ICF-Core-Set für Multiple Sklerose. Die Entstehung und Bedeutung dieses von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiierten und von Fachkräften verschiedener medizinischer Disziplinen komprimierten und auf das Krankheitsbild Multiple Sklerose (MS) zugeschnittene Klassifizierungsinstruments wurden von ihm in Vertretung einer erkrankten Kollegin, erläutert. Mit dieser Basis ging es in den ersten Workshop, in dem die Kongressteilnehmer Patientenbeispiele in der Tiefe nach ICF analysierten, um daraus wichtige Schlüsse für die Physio- und Sporttherapie  abzuleiten. Schnell wurde klar, dass das Instrument ICF nicht nur einen statistischen Wert hat sondern auch die Denkweise und Arbeit in der Rehabilitation maßgeblich beeinflussen und unterstützen kann.

Eine mittlerweile übliche und von den Teilnehmern sehr geschätzte Praxis ist es, die ausgestellten wissenschaftlichen Poster in einem Kurzbeitrag von 3 Minuten dem gesamten Publikum vorzustellen und damit das Interesse daran zu wecken, jedoch auch die Breite der Therapieansätze zu verdeutlichen. In einem ersten Block wurden 10 der präsentierten Poster besprochen, darunter auch das Poster über die ersten Auswertungen einer multizentrischen internationalen Studie, an der sich der Quellenhof beteiligt hatte. Schon hier bestand die Möglichkeit für die Wissenschaftlerin oder den Wissenschaftler, drängende Fragen vor dem gesamten Publikum zu beantworten. Dies tat jedoch den Diskussionen während der Poster Begehungen keinerlei Abbruch. Schnell wurde deutlich, dass die unterschiedlichen Bedingungen in den 13 Ländern, aus denen die Teilnehmer angereist waren, auch zu unterschiedlichen Ideen der Therapiegestaltung führen.

Prof. Dr. med. Thomas Henze, Nittenau, untersuchte in seinem Vortrag den Stellenwert der gerätegestützten Therapie in der Behandlung der Multiplen Sklerose. Unbestritten war die von den Sportwissenschaftlern in zahlreichen Studien belegte Steigerung der Leistungsfähigkeit durch regelmäßige körperliche Betätigung – auch durch Sport. Allerdings konnten die wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten keinen großen Effekt der gerätegestützten Therapie einschließlich des Lokomaten (Unterstützung der Laufbandtherapie) oder anderen Gehtrainern im Vergleich zu konventionellen Methoden belegen.

Anhand der beruflichen Herkunft der Teilnehmer mit ärztlicher, physiotherapeutischer, ergotherapeutischer oder sporttherapeutischer Tätigkeit war zu erkennen, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit die Vorteile für MS-Patienten erhöht. In ihrem Vortrag „Physiotherapy and active nursing – an interdisciplinary approach” unterstrichen Gabi Jacobs, Aufbaukursinstruktorin der Bobath-Initiative-Kranken-und Altenpflege (BIKA) und Klaus Gusowski, ltd. Physiotherapeut NRZ Quellenhof, Bobath-Instructor IBITA, die Wichtigkeit dieser Zusammenarbeit und erweiterten die Teilnehmerschar um eine weitere Berufsgruppe, die Pflege. Am Beispiel einer schwer von MS betroffenen Patientin wurde der Synergieeffekt deutlich, der sich in einer deutlich erhöhten Teilhabe (Partizipation) durch Verbesserung der Alltagsfähigkeiten zeigte. Die anschließende intensive Diskussion zeigte auf, dass eine derartige Zusammenarbeit mit der Pflege, ermöglicht durch die intensive Ausbildung der Pflegekräfte in Fortbildungskursen, im europäischen Ausland wenig oder gar nicht bekannt ist, aber außerordentlich wünschenswert wäre.

Am Ende dieses langen und mit einer Vielzahl an Informationen bestückten Tages fanden vier Workshops zur Sporttherapie, gerätegestützten Ergotherapie, neuropsychologischen Untersuchung und  physiotherapeutischen Befunderhebung und Behandlung statt, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des NRZ Quellenhof souverän in englischer Sprache abgehalten wurden.

Mit einer kurzen Pause folgte ein gemeinsamer Abend im Speisesaal des NRZ Quellenhof, an dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sana-Catering-Services (SCS) ihr Können unter Beweis stellten. Die für viele der Anwesenden kulinarischen Besonderheiten aus der regionalen Küche fanden großen Anklang. Unter dem Motto „Musical-Glanzlichter auf hoher See“ konnten die Teilnehmer zwischen den Gängen den im Großraum Stuttgart gut bekannten und beliebten Künstlern Monika Herzer (Gesang), Markus Herzer (Piano), Martin Förster (Klarinette/Saxophon) und André Uelner (Gesang) bei ihrer unterhaltsamen und musikalisch hochwertigen Darbietung bekannter und auch weniger bekannter Musicalmelodien lauschen.

Der Beginn des Programms am 24. Oktober musste unter dem Druck der großen Zahl von eingereichten Beiträgen vorverlegt werden. Nach vier Vorträgen und einem weiteren Block von Postervorstellungen gewährte der aus den USA angereiste Prof. Dr. med. John de Luca, New Jersey, tiefe Einblicke in allerneuste Forschungsergebnisse zur Fatigue, dieser enormen Erschöpfbarkeit, die sich extrem auf den Alltag und die Berufsfähigkeit von MS-Patienten auswirkt. Alle im Saal anwesenden mussten einen Teil ihres bisherigen Wissensstands korrigieren und waren inspiriert von der Klarheit der Darstellung und Aussage. Dieses Thema wurde im anschließenden Vortrag von Prof. Dr. med. Flachenecker noch einmal aufgenommen und diesmal aus praktischem und diagnostischem Blickwinkel für die klinisch Tätigen betrachtet. Dabei wurde deutlich, dass die experimentelle Forschung auf der einen Seite und die klinische Erfahrung sich gegenseitig gut ergänzen können. Damit half diese Tagung, derartige komplementäre Betrachtungsweisen zu benennen und gegenseitig voneinander zu lernen.

Den Abschluss des zweitägigen Treffens bildete ein zweiter Vortragsblock zur wissenschaftlichen Forschung der Mitglieder. Mit einer abschließenden Information durch Anders Romberg zu den Terminen der weiteren Treffen sowohl von RIMS als auch der SIG Mobility gingen hoch zufriedene Teilnehmer auseinander und reisten wieder in ihre Herkunftsländer zurück. Dort werden die hier gewonnenen  Anregungen nicht nur im Behandlungsalltag umgesetzt. Sie bilden auch die Basis für weitere Forschungsanstrengungen, um die therapeutischen Ansätze der MS-Behandlung zunehmend mit evidenzbasierten Untersuchungen zu untermauern.

von Klaus Gusowski, Leitender Physiotherapeut des Quellenhofs

 

Der Verein der Bobath Instruktoren berichtete ebenfalls: <link http: www.vebid.de aktuelles>www.vebid.de/aktuelles/

Martina Steck
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