Offenbach

Welche Impfungen sind sinnvoll

Wie Impfungen Kinder schützen

Aktuelle Fälle von Masern-Erkrankungen mit zum Teil schwerem Verlauf oder gar tödlichem Ausgang haben daran erinnert, wie wichtig Schutzimpfungen sind. Anlässlich der Europäischen Impfwoche vom 20. bis 25. April 2015 unter dem Motto „Impflücken schließen“ sprachen wir mit dem Impfexperten Prof. Dr. med. Markus Rose, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Offenbach. Während bei Säuglingen der Impfschutz wegen der gut angenommenen Mehrfachimpfungen in den ersten Lebensmonaten hoch ist, weist der Schutz bei immer mehr älteren Kindern und Erwachsenen besorgniserregende Lücken auf.

Ob Masern, Keuchhusten oder Kinderlähmung - mit nur einem kleinen Piks können Krankheiten verhindert werden. Woran liegt es dann, dass in Deutschland jährlich mehrere Tausend Menschen an Erkrankungen sterben, die durch Impfungen hätten vermieden werden können?
Prof. Rose: Der Grund ist einfach: Es gibt bei uns keine Impfpflicht, deshalb lassen sich viele Bürger nicht impfen und bedenken dabei nicht, dass ein Rückgang der Impfungen die Gesundheit der gesamten Gesellschaft bedroht. Je mehr Kinder ungeimpft bleiben, desto stärker breiten sich Krankheitskeime aus, sodass schließlich wieder Seuchen auftreten können

Welche Gründe sprechen dafür, sein Kind impfen zu lassen?
Prof. Rose: Um ihre Kinder optimal vor gefährlichen Erkrankungen zu schützen, können Eltern nichts Besseres tun, als den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Institutes (RKI) zu folgen. Die Mehrzahl der Erstklässler besitzen glücklicherweise schon bei ihrer Einschulung die wesentlichen Grundimpfungen. Aber auch Jugendliche und Erwachsene sollten sich beraten lassen, ob sie einen ausreichend Impfschutz haben und gegebenenfalls ihren Impfschutz auffrischen.

Offenbar haben viele Eltern aber große Angst vor möglichen Risiken und Nebenwirkungen einer Impfung. Sind diese Ängste vollkommen unbegründet?
Prof: Rose: Die modernen Impfstoffe sind so wirksam und gut verträglich, dass abgesehen von Schwellungen und Überwärmungen an der Einstichstelle keine nennenswerten Risiken zu befürchten sind. Die meisten aufgeführten Nebenwirkungen sind in Wirklichkeit meist zufällig gleichzeitig auftretende Beschwerden; echte schwerwiegende Nebenwirkungen von Impfungen sind äußerst selten und stehen in keinem Verhältnis zu den Risiken einer Erkrankung, die man mit Impfungen vermeiden könnte.

Um welche gefährlichen Erkrankungen geht es hier vor allem?
Prof. Rose: Die für alle geltenden Impfempfehlungen betreffen Tetanus (Wundstarrkrampf), Pertussis (Keuchhusten), Hepatitis B, Diphtherie, Poliomyelitis (Kinderlähmung), Infektionen durch Pneumokokken, Meningokokken und Hämophilus Influenzae, Masern, Mumps, Röteln,  Rotaviren. Egal, ob wir von Hirnhautentzündung, lebensgefährlicher Austrocknung oder Nervenlähmungen reden - alle diese Krankheiten sind hoch ansteckend, können sich schnell ausbreiten und schwere Folgen haben, insbesondere wenn Säuglinge nicht geimpft werden.
Steckt sich ein Jugendlicher oder Erwachsener mit einer sogenannten Kinderkrankheit an, dann verläuft die Erkrankung oft um vieles schwerer, vor allem dann, wenn ältere Menschen in Folge eines chronischen Leidens weniger Widerstandskräfte besitzen. Deshalb sollten auch Erwachsene sich vor diesen Infektionskrankheiten schützen und sich beispielsweise gegen Masern, Mumps und Röteln nachimpfen lassen.

Die Todesfälle sind zwar alle tragisch, lassen aber keine akute Seuchengefahr vermuten. Warum soll man dann überhaupt noch irgendwelche Impfrisiken eingehen?
Prof. Rose: Dieser Einwand geht von falschen Voraussetzungen aus; die relativ wenigen schweren Erkrankungsfälle haben wir nur, da die Mehrzahl unserer Mitbürger geimpft ist. Deshalb ist vielen Erwachsenen heute nicht mehr bewusst, wie lebenswichtig Impfungen aber weiterhin sind, insbesondere für Kinder. Aktuelle Beispiele aus Ländern, wo durch Kriegswirren oder andere ungünstige Rahmenbedingungen Impfprogramme ausgesetzt werden, zeigen, dass nach kurzer Zeit diese scheinbar „ausgerotteten“ Infektionen wiederkehren. Denn die Erreger sind weiterhin unter uns. Eine erneute Ausbreitung dieser scheinbar eingedämmten Krankheiten in der Bevölkerung ist nur zu verhindern, wenn möglichst viele Bürger dauerhaft über einen ausreichenden Impfschutz verfügen. Viele junge Eltern, die nach 1970 geboren wurden, besitzen jedoch selbst keinen Impfschutz. Sie bieten ihren Kindern damit keinen ausreichenden „Nestschutz“, weil sie selbst zu Trägern von Krankheitskeimen werden und deshalb ihre eigenen Kinder ungewollt anstecken können. Darum rate ich allen Eltern, ihren eigenen Impfschutz von ihrem Hausarzt überprüfen und ihn gegebenenfalls erneuern zu lassen oder nachzuholen. Mein Grundsatz dazu lautet:“Sich impfen zu lassen, ist gelebte Sozialkompetenz.“

Wie sicher sind die Impfstoffe zurzeit?
Prof. Rose: Die von der STIKO empfohlenen Impfungen gelten als sehr sicher; nur äußerst selten treten Komplikationen auf. Die modernen Impfstoffe sind überdies sehr gut verträglich. Nur etwa bei 10 Prozent kommt es zu Nebenwirkungen oder Impfreaktionen. Aber auch diese sind meist harmlos und dauern nur wenige Tage, wie zum Beispiel ein schmerzender Arm oder Unpässlichkeit.

Können solche Impfreaktionen aber gerade bei Kindern nicht doch Anlass zur Beunruhigung sein?
Prof. Rose: Nein, denn derartige Reaktionen sind nicht negativ, sondern lediglich ein spürbares Zeichen dafür, dass das Immunsystem reagiert und die Abwehr aufgebaut wird. Das Immunsystem hat dann nämlich den Impfstoff als potenziellen Krankheitserreger erkannt und baut eine Immunantwort auf. Taucht danach irgendwann der natürliche Erreger tatsächlich auf, wird er ebenfalls sofort unschädlich gemacht. Die Krankheit bricht nicht aus oder aber verläuft sehr viel harmloser.

Welche Impfungen empfehlen Sie konkret?
Prof. Rose: Grundsätzlich alle von der STIKO empfohlenen, idealerweise als Kombinations-impfstoffe. Jedes Jahr gibt das Robert-Koch-Institutes einen aktuellen Impfkalender heraus, der sowohl im Internet als auch bei den niedergelassenen Ärzten zur Verfügung steht und in 16 Sprachen erhältlich ist. Jede einzelne dieser Impfungen hat ihre Berechtigung. Einen besseren Schutz vor Infektionskrankheiten können Eltern ihren Kindern nicht bieten. Die Grundimmunisierung von Kindern während der ersten Lebensjahre wird sehr häufig im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen. Mit steigendem Alter der Kinder sinkt jedoch der Impfschutz, weil vielfach die Auffrisch-Impfungen vergessen werden. Dies gilt insbesondere im Erwachsenenalter für die Auffrisch-Impfungen nach zehn Jahren gegen Wundstarrkrampf, Diphterie und Keuchhusten. Alle nach 1970 Geborenen sollten – wenn sie keinen Impfschutz haben - sich unbedingt nachträglich gegen Masern, Mumps und Röteln immunisieren lassen. Für ältere Bürger ab dem 60-sten Lebensjahr empfiehlt das RKI zusätzlich die Standard¬impfungen gegen Pneumokokken (Lungenentzündung) und echte Grippe (Influenza).

In welchen Fällen wird von diesen Empfehlungen abgewichen?
Prof. Rose: Es gibt spezielle Situationen, wo zugelassene Impfstoffe auch über die STIKO- Empfehlungen hinaus Anwendung finden können (sogenannte „Eröffnungsklausel“). Der behandelnde Arzt oder Kinderarzt gibt hierzu kompetente, auf den Einzelfall bezogene Auskunft.

Solch ein „rund-um-Impfschutz“ ist sicher eine teure Angelegenheit? Sind diese Kosten für das Gesundheitswesen vertretbar?
Prof. Rose: Unser Staat und auch jeder einzelne geben viel Geld aus für Sinnvolles und auch weniger sinnvolles - dabei vergessen wir schnell den Stellenwert unserer Gesundheit, Und hierzu gehört auch der Impfschutz. Obwohl dieser Schutz die einfachste Sache der Welt ist und von den Kostenträgern zudem übernommen wird. Das gilt auch für die Impfung von Mädchen zwischen dem neunten und 14. Lebensjahr gegen Gebärmutterhalskrebs. Leider nehmen bis jetzt nur 20 bis 30 Prozent der Mädchen diesen Impfschutz wahr, sodass noch sehr viele das Risiko eingehen, später im Erwachsenenalter an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken Auch Jungen können Überträger dieser Krankheit sein oder an ähnlichen Tumoren wir Nasenrachenkrebs erkranken. Eine Impfung von Jungen gegen diese lebensgefährliche Krankheit wird allerdings derzeit nicht von den Kassen bezahlt, wäre aber sinnvoll,. Außerdem haben viele Impfungen die erfreuliche „Nebenwirkungen“, dass sie nicht nur vor entsprechenden Infektionen schützen, sondern auch allgemein die Abwehrkräfte stärken.

 

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