Offenbach

Dagmar Marth hilft den Patienten, ihr Innerstes sichtbar wahrzunehmen

Neues kunsttherapeutisches Angebot auf der Palliativstation des Sana Klinikums

Wenn die Kunsttherapeutin zweimal wöchentlich zu den schwerstkranken Patienten der Palliativstation des Sana Klinikums Offenbach kommt,  bietet sie ihnen keine beliebigen Beschäftigungen an.. Sie fordert ihre Kreativität heraus, um gezielt heilsam auf sie einzuwirken. Dafür bringt sie ein ganzes Arsenal an Materialien mit, die auch im Bett oder am Esstisch einsetzbar sind: Aquarellkreiden und –stifte, Öl- und Pastellkreide, Gouachefarben, einfaches Druckverfahren, Tonerde und natürlich Papier.

„Was auf den ersten Blick verwundern lässt, macht bei genauerem Hinsehen Sinn. Denn für die Patienten ist es eine überraschende und beglückende Erfahrung, gerade am Ende ihres Lebens mit eigenen Händen nochmal etwas Neues, Ungewohntes tun zu können“, erläutert Dagmar Marth ihre Arbeit. „Viele Patienten, besonders die relativ jungen, greifen gerne meine Anregungen auf und stellen in ihren Gemälden, meist unbewusst, ihre eigenen Gefühle dar.“

Damit ergänzt die studierte Kunstpädagogin, Kunsttherapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie seit September 2017 die medizinische und pflegerische Arbeit des Palliativteams um Aspekte eines seelischen Heilungsprozesses. Sie kann auf umfangreiche berufliche Erfahrungen in ihrer eigenen ambulanten Kunsttherapie-Praxis und im klinisch-psychosomatischen Bereich seit 20 Jahren zurückgreifen.

Die Patienten bekommen durch das Gestalten immer auch Abstand vom Krankheitsgeschehen, sodass sie seelisch entlastet werden und aus ihrem eigenen kreativen Tun neue Kraft schöpfen können: Eine Ressourcenstärkung.

Nach dem Malen sind Patienten wacher, frischer und offener, ihre Lebensqualität steigt durch diese seelische Schmerztherapie, mit der sie etwas wunderbar Überraschendes erleben, selbst wenn sie kaum noch reden und sich nicht mehr frei bewegen können. denn mit dem Malen gelingt es ihnen, ihren eigenen Seelenzustand mit Farben auszudrücken, Das tut jedem Menschen gut, nicht nur dem kranken. Wir alle zeigen schließlich ein Stück unserer Seele, oft gar nicht direkt, aber auf Umwegen, etwa durch unsere Kleidung und unser nonverbales Verhalten“, betont Dagmar Marth.

Wenn sie zu neuen Patienten geht, erklärt sie ihnen was sie anbieten kann. Bei Interesse des Patienten kann er oder sie meist frei aus dem Materialfundus wählen. Was gemalt werden kann wird gemeinsam gefunden oder spontan gemalt. Wenn jemand damit gar nichts anfangen kann, sucht sie den persönlichen Zugang über ein Gespräch, was oft die Entscheidung erleichtert, beim nächsten Besuch doch noch einen Malversuch zu unternehmen.

Es gibt auch die Möglichkeit der rezeptiven Kunsttherapie. Dabei werden die Patienten selbst nicht aktiv, sondern schauen Bilder mit der Kunsttherapeutin an oder lassen sich von ihr etwas nach Wunsch malen. Da kann auch mal ein Porträt des Patienten entstehen.

Problemanalysen bleiben aber außen vor. Es genügt, wenn sich die Patienten in ihren Bildern selbst ausdrücken und die Erfahrung machen können, dass andere – nicht nur die Kunsttherapeutin, sondern auch Angehörige und Pflegekräfte – diesen Selbstausdruck akzeptieren und ihn als solchen stehenlassen, auch mit seinen evtl. düsteren Aspekten.

Meist arbeiten die Patienten mit sichtbarer Freude. Man sieht ihnen danach ihren neuen Abstand zum Krankheitsgeschehen an: sie legen z.B. ihre Hände auf statt unter die Decke, ihre Gesichtsfarbe hellt sich auf, und wenn es der Seele besser geht, geht es auch dem Körper besser, ganz ohne Chemie.

Während des Stationsaufenthalts sieht die Therapeutin ihre Patienten oft mehrmals und nimmt sich so viel Zeit, wie es für den einzelnen Patienten passend ist. Sie fotografiert mit Erlaubnis die produzierten Bilder um sie evtl. für Fortbildungen usw. präsentieren zu können. Bisher waren alle damit einverstanden. Die Bilder können vor jedem Bett so aufgehängt werden, dass Patient und Angehörige sie sehen können.

Zu Marths besonderen Erfahrungen gehört das „Haifischgefängnis“ eines Hirntumorpatienten, das als roter Kreis auf dem Papier begann. Da drinnen zum Beobachten verdammt, drumherum frei schwimmende Fische als gefährliche Haie oder beziehungsorientierte  Delphine (Ärztinnen und Pflegerinnen?), ein bunter Fisch (die Kunsttherapeutin?). Oder ein Großvater, der seinen noch ungeborenen Enkel malte, den er nicht mehr erleben konnte. Und auch eine am Malen bisher desinteressierte Frau am Bett ihres todkranken Lebensgefährten: Sie wagte es endlich, ihrer Wut malend freien Lauf zu lassen und das Vergehen ihres Partners allmählich zu akzeptieren.

Die Kunsttherapie ist wesentlicher Bestandteil der Patientenbegleitung auf der Palliativstation am Sana Klinikum Offenbach. Dagmar Marth ist fest im Palliativteam verankert und nimmt regelmäßig an der Teambesprechung mit Ärzten, Pflegekräften, Seelsorgern, Physiotherapeuten und Sozialdienst teil. So kann sie sich optimal auf die jeweilige Situation und Gefühlslage des Patienten einstellen. Das Therapieangebot steht wöchentlich an zwei Tagen mit insgesamt 10 Stunden zur Verfügung.

INFOKASTEN

Kunsttherapie auf der Palliativstation: Wöchentlich 10 Stunden, montags und mittwochs.

Dagmar Marth, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin grad. DGKT. Ambulante Kunsttherapie-Praxis seit 1998.

Informationen und Erfahrungsberichte: www.palliare.org., www.atelier-kunst-und-therapie.de, www.therapie.de

Pressekontakt:

Marion Band
Telefon: 069 8405-5550
Telefax: 069 8405-4671
E-Mail: marion.band@sana.de