Offenbach

Chefkardiologe am Sana Klinikum Offenbach verschließt Öffnung in der Herzscheidewand mittels minimalinvasivem Eingriff

Löcher stopfen kann Leben retten

Menschen mit bestimmten Herzerkrankungen haben ein besonderes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Neuere Studien zeigen, dass auch ein sogenanntes‚ persistierendes Foramen ovale‘, kurz PFO, das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen kann. „Dabei handelt es sich um eine lappenförmige Öffnung zwischen den beiden oberen Herzräumen, den Herzvorhöfen. Dieser Defekt ist in der Regel angeboren, bleibt aber oftmals unerkannt“, erklärt Prof. Dr. Timm Bauer, Chefarzt der Klinikfür Kardiologie, Internistische Intensivmedizin und Allgemeine Innere Medizin am Sana Klinikum Offenbach. Diese Fehlbildung ist nicht ganz ungefährlich: Löst sich beispielsweise ein kleines Gerinnsel in den Beinvenen, kann dieses bei ungünstigen Bedingungen durch die Öffnung in der Vorhofscheidewand in die Gehirnarterien eindringen und dort dann einen Schlaganfall auslösen. „Oftmals fällt das wenige Millimeter kleine Loch erst auf, wenn der Patient mit Verdacht auf einen Schlaganfall ins Krankenhaus kommt.“

So erging es diesen Sommer der 53-jährigen Sabine K. aus Heusenstamm. Sie klagte über Schwindelgefühle und fühlte sich zunehmend wackelig auf den Beinen. Dann kamen Gleichgewichtsstörungen dazu. „Ich hatte Angst, ohne Grund hinzufallen“, berichtet sie kürzlich bei einer Kontrolluntersuchung. Sie suchte den Ärztlichen Notdienst auf, der sie direkt weiter ins Krankenhaus überwies. Dort stellte man schnell fest: Sabine K. hatte einen Schlaganfall. Doch warum? Sie zählt zu keiner altersbedingten Risikogruppe, ist sportlich, steht mitten im Berufsleben und hat keine bekannten Vorerkrankungen. Zur weiteren Diagnostik wird ein sogenanntes Schluckecho durchgeführt. Bei dieser echokardiografischen Ultraschalluntersuchung wird unter leichter Narkose ein Endoskop mit einem eingebauten Schallkopf in die Speiseröhre eingeführt. Von hier aus lässt sich das Herz gut erfassen. Erkrankungen der Herzvorhöfe wie ein Vorhofgerinnsel, Fehler in der Vorhofscheidewand oder auch einen eventuellen Tumor lassen sich von hier aus gut erkennen. Auch die Herzklappen und Entzündungsherde werden in dieser wenig belastenden Untersuchung sichtbar. Das Ergebnis der Untersuchung: Sabine K. lebt, wie schätzungsweise jeder vierte Deutsche, mit einem Loch in der Vorhofscheidewand, einem PFO.

„Ein Scheidewanddefekt musste früher in einer aufwendigen Operation behoben werden, heute können wir bei vielen Patienten ein kathetergestütztes Verfahren einsetzen, welches für die Patienten deutlich schonender ist“, beruhigt Prof. Bauer. Sabine K. erinnert sich: „Das Unangenehmste war, den Schlauch mit der Ultraschallsonde zu schlucken.“ Während über die Speiseröhre der Kontrollultraschall jederzeit möglich ist, schieben die Experten über einen Venenzugang in der Leiste einen dünnen Schlauch bis ans Herz. Durch diesen Katheter wird dann ein zusammengelegtes, doppeltes Schirmchen mit einem daran befestigten Anker bis zur Herzscheidewandöffnung vorgeschoben. Zunächst wird der Katheter durch die Öffnung geführt, um den Anker auf der anderen Seite zu befestigen. Danach wird der Schlauch zurückgezogen und das Schirmchen entfaltet sich über dem Loch. Die Öffnung ist verschlossen. Per Ultraschall kann parallel die Platzierung überwacht werden.

Sabine K. hat den Schlaganfall und den Eingriff zum PFO-Verschluss soweit gut verkraftet. Nach einer drei-wöchigen Reha in Bad Orb war bei einer neuerlichen Schluckecho-Untersuchung zur Kontrolle alles unauffällig.

Der Kardiologe am Sana Klinikum Offenbach empfiehlt deshalb bei Patienten unter 60 Jahren mit Schlaganfall ein Schluckecho durchzuführen. Zeigt sich hier ein Defekt der Vorhofscheidewand, sollte ein PFO-Verschluss durchgeführt werden, falls sich keine anderen Erklärungen für den Schlaganfall finden. Menschen mit PFO, die bislang keinen Schlaganfall erlitten haben, benötigen in der Regel keine vorsorgliche Therapie.

 

Hintergrundwissen:

Das Herz – so verändert sich unser Motor

Das Herz, ein etwa faustgroßer Muskel, seitlich hinter dem Brustbein und besteht im Grunde aus zwei Pumpen, die im gleichen Takt schlagen und durch die Herzscheidewand voneinander getrennt sind. Jede der beiden Herzhälften umfasst zwei Hohlräumen: einem Vorhof und eine Herzkammer. Die Vorhöfe sammeln das Blut, das aus den Venen kommt, und füllen es in die Herzkammern. Diese kräftigeren Bereiche pumpen das Blut über die Arterien in den Körper: Die rechte Herzkammer pumpt das sauerstoffarme Blut in den Lungenkreislauf, damit es dort mit Sauerstoff angereichert und zurück zum linksseitigen Herzen geleitet werden kann. Die linke Herzkammer pumpt das sauerstoffreiche Blut zurück in den Körperkreislauf, um alle Organe mit Sauerstoff zu versorgen. Ungeborene Babys atmen nicht und die Lunge wird vor der Geburt weder belüftet und noch funktionell durchblutet. Eine offene Verbindung ist bei einem ungeborenen Baby daher die notwendige Voraussetzung, um den Blutübertritt von rechtem nach linkem Körperkreislauf zu ermöglichen. Nach der Geburt füllt das Neugeborene seine Lungen mit Luft und beginnt zu atmen. Die lappenartige Öffnung verschließt und verwächst sich in den meisten Fällen von selbst. Bei etwa 25 Prozent der Menschen jedoch bleibt die Öffnung bestehen.

Anne Stach
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