Achtung, Zecke!

Kleine Tiere, große Wirkung

Dr. med. Karl-Heinz Henn, Chefarzt Neurologische Klinik

Kaum werden die Temperaturen jetzt endlich wärmer, machen sich auch die Zecken wieder breit – am liebsten überall wo es grün ist: im hohen Gras, auf Wiesen und in Wäldern. Das ist für Menschen, die sich gerne draußen aufhalten, von großer Bedeutung. Denn ein Zeckenbiss ist schnell passiert und bleibt oftmals unerkannt. Daraus kann sich im ungünstigsten Fall eine Lyme-Borreliose-Erkrankung oder eine Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME) entwickeln. Dr. Karl-Heinz Henn, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Sana Klinikum Offenbach, klärt im Interview über Zeckenbisse und Folgeerkrankungen auf und erläutert, welche Präventionsmaßnahmen man vor Zecken und den von ihnen übertragene Erkrankungen treffen kann.

 

Wie kann man sich am besten vor Zecken schützen?

Bei Spaziergängen ist es am besten, auf festen Wegen zu bleiben und das Unterholz genauso wie hohes Gras zu meiden. Sinnvoll ist das Tragen von festen Schuhen und heller Kleidung, auf der man Zecken leichter sehen kann. Nach dem Aufenthalt im Freien sollte man den Körper nach Zecken absuchen. Bevorzugte Saugstellen sind Kopf und Hals, die Achseln und die Kniekehlen.

Was sind die Folgen eines Zeckenbisses?

Da die Zecken die Einstichstellen mit ihrem Speichel betäuben, bemerkt man im Gegensatz zu einem Bremsenstich die Zecke zuerst einmal nicht. Später kann sich um die Einstichstelle eine Rötung bilden oder Juckreiz tritt auf. Beides können Hinweise auf die Übertragung von Krankheitserregern sein. Beim Blutsaugen können Zecken die Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), eine spezielle Form der Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute, und die Erreger der Lyme-Borreliose übertragen. Laut dem Robert Koch-Institut tragen zehn bis 35 Prozent der Zecken Borrelien in sich. In Deutschland infizieren sich etwa zwei bis sechs Prozent der Menschen, die von einer Zecke gestochen wurden, mit Borrelien. Weitaus seltener sind Zecken mit FSME-Viren befallen. In den deutschen FSME-Risikogebieten – darunter auch Bayern – sind zirka 0,1 bis fünf Prozent der kleinen Spinnentiere mit dem Virus infiziert.

Im schlimmsten Fall kann sich aus einem Zeckenbiss die Infektionskrankheit Borreliose oder eine Frühsommermenigoenzephalits entwickeln. Welche Symptome hat man bei Borreliose?

Die Beschwerden bei Borreliose sind vielfältig und können mehrere Organe betreffen. Die Auswirkungen sind individuell unterschiedlich in ihrer Intensität. Zuerst kann sich an der Stelle des Zeckenbisses nach einigen Tagen ein roter Fleck bilden, der langsam immer größer wird und in der Mitte hell gefärbt ist. Dieser schmerzlose Fleck wird als „Wanderröte“ bezeichnet, da er sich charakteristisch von innen nach außen immer weiter ausbreitet. Weitere Symptome in diesem Borreliosestadium können Fieber, Bindehautentzündung, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen sein. Wochen bis Monate nach dem Zeckenbiss können brennende Nervenschmerzen auftreten. Die Bakterien haben sich im Organismus verteilt. Da nun das Nervensystem befallen ist, können schlaffe Lähmungen oder Gefühlsstörungen auftreten. Auch das Herz kann in Form von Herzrhythmusstörungen oder einer Herzmuskel- bzw. Herzbeutelentzündung betroffen sein. In sehr seltenen Fällen kommt es sogar zu Hauttumoren oder Gehirnentzündungen. Erst Monate oder auch Jahre nach der Infektion können zudem Gelenkentzündungen vor allem an den Kniegelenken, Sprung-, Finger-, Zehen-, Handwurzel- und Kiefergelenken auftreten. Auch Hautveränderungen an Armen und Beinen sind auffällige Kennzeichen, die sich einer Infektion mit Borrelien zuordnen lassen. Die Haut wird an diesen Stellen sehr dünn und verfärbt sich bläulich. Die Entzündungen klingen nach einer Weile wieder ab, können jedoch nach einiger Zeit schubweise wiederkehren. Wird die Borreliose aber rechtzeitig erkannt, schafft meist eine Antibiotika-Therapie Abhilfe. Nur bei einer fortgeschrittenen Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks können in Einzelfällen Schäden zurück bleiben. Das ist zum Glück aber sehr selten.

 

Ab wann sollte man zum Arzt gehen, wenn man einen Zeckenbiss bemerkt?

Nach dem Stich einer infizierten Zecke können die ersten Anzeichen einer Borreliose schon nach kurzer Zeit oder erst nach Wochen oder Monate auftreten. Das macht es unter Umständen für den Betroffenen so schwierig, die Symptome auf diesen Stich zurück zu führen. Deshalb rate ich, die Stelle einige Tage zu beobachten.  Entzündet sich die Hautregion – wird also rot, schmerzt oder juckt – gehen Sie am besten zum Arzt. Bei Fieber, Benommenheit, allgemeinem Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen oder Lähmungserscheinungen sollte ebenfalls möglichst zügig der Arzt aufgesucht werden. 

 

Wie kann man sich vor Borreliose schützen?

Eine Schutzimpfung gegen Borreliose steht in Europa nicht zur Verfügung. Eine Impfung gegen die durch Zecken übertragene Virusinfektion FSME bietet keinen Schutz vor Borreliose. Den besten Schutz vor Borreliose bietet die Vermeidung und Früherkennung von Zeckenbissen. In der Regel werden Borrelien erst nach 24 Stunden übertragen – wird die Zecke schnell entfernt, ist also das Übertragungsrisiko der Borreliose-Erreger gering.