Das robotergestützte Programm bietet dem Chirurgen eine vergrößerte Sicht und die Möglichkeit, an einer Konsole statt direkt am Patienten zu arbeiten. Dies führt insbesondere bei Operationen an Prostata, Niere und Blase zu Verbesserungen gegenüber den bisher üblichen laparoskopischen Eingriffen.
„In der normalen Laparoskopie ist der Chirurg von der Erfahrung des Assistenten und von seiner Kameraführung abhängig. Außerdem können die Arme des Operateurs oder Operateurin über längere Zeit sehr ermüden“, erläutert Prof. Lein. „Bei dem neuen robotergestützten System arbeite ich als Chirurg in einer entspannten Sitzposition. Der OP-Roboter führt alle meine Bewegungen und Eingriffe über hydraulische Mikrobewegungen in Echtzeit durch. Die stabile Haltung der Kamera mit mehrfacher Vergrößerung gleicht automatisch unerwünschte Kamerabewegungen und ein Zittern des Bildes aus. Meine Hände und Füße führen dabei die Instrumente. Ein besonderer Vorteil dieser Technik: Gesteuert wird die Kamera über meine Augenbewegungen und das System verfügt über eine sogenannte taktile Rückmeldung. Das bedeutet, dass eingebaute Sensoren elektronisch Druck oder Ziehen am Gewebe übermitteln, beispielsweise beim Schließen einer Naht. So erhalte ich eine direkte, haptische Rückmeldung über die Gewebebeschaffenheit oder die Naht wie beim unmittelbaren Operieren auch, und muss mich als Operateur nicht allein auf die visuelle Kontrolle des Operationsfeldes verlassen. Das ist alles sehr real. Zudem liefert die Kamera hochaufgelöste Bilder in 3-D-Qualität, die einen sehr guten Blick in das Operationsfeld bieten. Ich erkenne deutlich alle Gewebestrukturen und kann diese exakt beurteilen - selbst so extrem feine Strukturen wie Nerven und Blutgefäße. Damit schafft mir das Gerät optimale Bedingungen für ein höchst präzises Arbeiten.“ Ein weiterer großer Vorteil ist die Kompatibilität der robotergestützten Arme mit den in der Klinik vorhandenen laparoskopischen Instrumenten, die wie gewohnt weiterhin einsetzbar sind.
Prof. Lein weist darauf hin, dass ein Robotersystem die chirurgische Fachkenntnis, Geschicklichkeit und Erfahrung des Operateurs nicht ersetzen kann, im Gegenteil: „Je erfahrener und geschickter der Spezialist ist, umso sicherer ist auch die computergestützte Operation für den Patienten und desto besser sind die funktionellen Ergebnisse. Operieren müssen immer noch wir! Der Roboter übersetzt lediglich – aber die Hoheit und Kontrolle über das gesamte Verfahren liegen wie bisher zu jeder Zeit bei dem Arzt oder der Ärztin. Deshalb erfordert der Einsatz dieser hochkomplexen Technologie nicht nur gesonderte Schulungen, sondern auch langjährige laparoskopische Erfahrung“, erklärt Prof. Lein. „Mein Team und ich führen viele laparoskopische Eingriffe durch, und ich bin stolz darauf, dass wir diese Technik so gut beherrschen. Mit Erfolg haben wir nun auch mit der neuen Robotertechnologie erste Prostata-Krebs-Patienten operiert.“
Bei Prostataentfernungen arbeitet Prof. Lein und sein Team schon seit Jahren erfolgreich mit einem besonders Nerv-erhaltenden Verfahren zur Sicherung von Urinkontinenz und Sexualfunktion. Um festzustellen, wie ausgedehnt der Krebsbefall ist und ob das Karzinom bis an den Rand der Prostata heranreicht, entnehmen die Experten der Klinik noch während der Operation zwei große Gewebeproben von der Prostata. Diese werden über einen sogenannten Schnellschnitt durch die Kollegen der Pathologie bewertet und das Ergebnis den Urologen umgehend zur Verfügung gestellt. Durch diese sogenannte NeuroSAFE-Technik können die Operateure während des Eingriffs erkennen, ob die an der Prostata anliegenden Nervenstränge geschont werden können oder gegebenenfalls auch entfernt werden müssen.
„Unser Vorteil ist, dass wir in der Tumorchirurgie der Prostata sowohl das klassische offene, als auch das schonende laparoskopische – und nun auch das computergestützte – Operationsverfahren anbieten können“, fasst der Chefarzt zusammen. „Wir können individuell für jeden Patienten das richtige Verfahren wählen und erzielen im Hinblick auf Krebsheilungsrate, Kontinenz und Potenz mit allen Methoden in den allermeisten Fällen gute Ergebnisse. Für die meisten Patienten erweisen sich beide Verfahren als gleich gut geeignet.“ Auch das robotergestützte Verfahren wird dabei von allen Kassenträgern ohne Zuzahlung getragen. Betroffene können sich bei Fragen an den niedergelassenen Facharzt wenden oder sich auch unter der Telefonnummer 069 / 8405 3840 direkt bei der Klinik für Urologie am Sana Klinikum melden.
Die Klinik für Urologie ist erst der Anfang: In den nächsten Wochen soll die robotergestützte Operationsmethode auch in anderen chirurgischen Fachbereichen des Sana Klinikums eingesetzt werden, wie zum Beispiel in der Allgemein- und Viszeralchirurgie von Prof. Dr. med. Michael Pauthner.
Hintergrundwissen Laparoskopie
Die Laparoskopie - auch Bauchspiegelung oder Schlüssellochtechnik genannt - ist eine schonende Operationsmethode ohne großen Bauchschnitt. Die Chirurgin oder der Chirurg setzt nur vier bis fünf etwa 0,3 bis 1,2 cm große Schnitte in die Bauchdecke. Über die Schnitte werden kleine Arbeitskanäle – sogenannte Trokare – in die Bauchhöhle eingeführt, mit denen die Operation durchgeführt wird. Darunter ist auch eine Mini-Kamera, die den Eingriff vergrößert auf einen Bildschirm überträgt. Wesentlicher Vorteil dieser relativ neuen Operationsmethode für den Patienten ist die deutlich schnellere Erholung nach der OP.