Offenbach

Projekt am Sana Klinikum fördert Selbständigkeit von Patienten mit demenzieller Erkrankung

Bewusster Essen

Kerstin Zengerle, Gesundheits- und Krankenpflegerin mit langjähriger Berufserfahrung und Demenzexpertin am Sana Klinikum Offenbach, kann zufrieden auf die letzten zwölf Monate zurückblicken: die einjährige Erprobungsphase ihres Projekts ist erfolgreich abgeschlossen, und ab sofort ist die besondere Aufmerksamkeit der Pflegekräfte bei der täglichen Essensausgabe für die Bedarfe  von Patienten mit demenzieller Erkrankung, fester Bestandteil des Pflegealltags und des Menüplans.

Das Sana Klinikum Offenbach reagiert mit seinem speziellen Konzept auf die steigende Zahl von demenziell erkrankten Menschen: jährlich erleiden 250.000 Menschen einen krankhaften Gedächtnisverlust, im Jahr 2025 werden voraussichtlich 2,5 Millionen Menschen mit demenzieller Erkrankung  leben – eine besondere Herausforderung auch für Krankenhäuser, die Betroffene pflegen und behandeln. „Die Patienten kommen in der Regel nicht  wegen ihrer demenziellen Erkrankung  ins Krankenhaus, sondern  weil sie wegen einer anderen akuten Erkrankung einer Behandlung bedürfen,so Nils Dehe, Pflegedirektor am Sana Klinikum Offenbach. „Ein Krankenhausaufenthalt ist für jeden Menschen eine belastende Situation, und erst recht für Patienten mit kognitiven Einschränkungen etwa bei bestehender demenzieller Erkrankung. Diese können die plötzlichen Veränderungen in ihrem gewohnten Alltag, das Fehlen vertrauter Bezugspersonen, die veränderte Umgebung und die ungewohnten Tagesstrukturen oft nicht kompensieren und reagieren darauf durchaus mit Ess- und Trinkstörungen.  Hier setzt das Konzept von Kerstin Zengerle an: ein auf die Bedarfe von Patienten mit demenzieller Erkrankung abgestimmtes Angebot  mit dem   Ziel der selbstbestimmten Nahrungsaufnahme.“

„Wir unterstützen unsere Patienten gezielt beim Essen, indem wir sie dazu anhalten, ihre Nahrung selbst und ganz bewusst aufzunehmen und zu zerkauen, das Essen also buchstäblich als eigene Aktivität wahrzunehmen und zu erleben – wodurch übrigens auch beide Gehirnhälften besonders angeregt werden. Unsere Pflegekräfte bleiben währenddessen bei den Patienten und sind ihnen beim selbständigen Essen behilflich. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber der zusätzliche Aufwand lohnt sich auf jeden Fall“, fasst die Demenzexpertin die Erfahrungen aus der einjährigen Erprobungszeit zusammen. „Wir geben den Patienten ein Stück eigenes Handeln zurück. Sie entscheiden selbst, was, wie und in welchem Tempo  sie essen.“

Unterstützt wurde die Einführung des Konzepts durch die Friedberger Gourmet-Werkstatt, die für das Sana Klinikum das Patientenessen herstellt und anliefert. Die stellvertretende Leiterin der Großküche hatte sich fachlich speziell weitergebildet und sorgt jetzt für eine auf die Bedürfnisse von kognitiv eingeschränkten Patienten abgestimmte Kostform, wie Kerstin Zengerle erläutert: „Zum Frühstück gibt es entweder kleine Croissants oder ein weiches Milchbrötchen. Die sind süß und leicht zu schlucken. Hinzu kommt rote Marmelade, weil ältere Menschen diese Farbe noch gut erkennen können. Wenn nötig, schneiden oder brechen wir kleine, maximal zwei Bissen große Stücke ab, die die Patienten selbst greifen können. Das motiviert zusätzlich zum selbständigen Essen.“

Nicht alle der betroffenen Patienten im Sana Klinikum Offenbach erhalten diese vor allem morgens und abends angebotene spezielle Kost. Denn die Experten achten auch darauf, dass den Patienten möglichst nur geringe Veränderungen gegenüber dem Alltag zugemutet werden. Die morgens und abends gewohnte Brotschnitte wird,  dementsprechend beibehalten. Wer kann, bekommt mittags eine ganz normale Mahlzeit auf übersichtlich portionierten Tellern. So können die Kranken die einzelnen Komponenten selbst identifizieren, behalten den Überblick und reagieren nicht verwirrt. Für alle, die nicht mehr angemessen mit Besteck umgehen können, weil die Demenz für solche komplexen Handlungen zu weit fortgeschritten ist, gibt es mittags Fingerfood wie zum Beispiel Kartoffelecken, Kroketten, Gnocchi, Fischstäbchen und kleine Frikadellen. So üben wir mit ihnen auch, die Hand mit einem Essensbissen zum Mund zu führen.

Dabei ist für Kerstin Zengerle eines jedoch besonders wichtig: „Hauptsache, die Patienten essen überhaupt! Viele demenziell erkrankte Patienten trinken und essen häufig zu wenig, weil das natürliche Hunger- und Durstgefühl nachlässt und sie es dann einfach vergessen. Oft verändert sich auch der Geschmackssinn. Viele haben nur noch Lust auf ‚Süß‘. Und wenn Patienten nur noch süße Getränke und Lebensmittel wollen, dann bestreuen wir herzhafte Speisen oder Gemüse eben mit etwas Zucker.“

Die Unterstützung der Patienten beim Essen erweist sich dabei als anspruchsvolle Aufgabe, denn Pflegende müssen erkennen, wie sich demenzielle Erkrankungen  und allgemeine physiologische Altersveränderungen auf das individuelle Essverhalten auswirken und mit welchen Interventionen die Selbstständigkeit gefördert werden kann. Umso wichtiger ist die enge Zusammenarbeit der Pflegekräfte mit den Angehörigen, die wichtige Hinweise auf die Krankheit, das Stadium der demenziellen Erkrankung und die zu erwartenden persönlichen Reaktionen des Patienten geben können. Im Offenbacher Klinikum sorgen mittlerweile 28 interne Demenzbeauftragte der Allgemeinstationen dafür, dass der Aufenthalt für demenziell erkrankte Menschen in der ungewohnten Umgebung des Krankenhauses so weit wie möglich stressarm bleibt.

Marion Band
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