Offenbach

Von der Pharmazeutin zum Allround-Genie

Apothekenchefin geht in Ruhestand

26 Jahre lang war Dr. Antje Kneisel fast in jedem Winkel des Offenbacher Klinikum präsent, obwohl ihr Hauptwirkungsort im Untergeschoss lag. Von dort aus dirigierte sie nicht nur ihr 24-köpfiges Mitarbeiterteam, sondern auch zahlreiche Prozessabläufe – von der patientenbezogenen Arzneimittelproduktion, der Medikamentenauswahl über die – nicht nur -apothekenrelevante Software bis zur Planung eines Logistikzentrums. Jetzt geht sie in Rente.
„Wir gönnen Dr. Kneisel natürlich ihren Ruhestand, verlieren sie aber außerordentlich ungern“, kommentiert Geschäftsführer Sascha John den Wechsel an der Spitze der Krankenhausapotheke. „Schließlich hat sie schier Unglaubliches für das Klinikum geleistet und ist vor keiner neuen Aufgabe zurückgeschreckt. Mit ihrem analytisch präzisen Arbeiten hat sie jede Herausforderung gemeistert und dabei selten ihren bekannten Humor verloren.“
Dr. Kneisel erinnert sich: “Zu Beginn meiner Krankenhauslaufbahn wurden noch Karteikarten für die Materialwirtschaft eingesetzt. Als ich1990 die Leitung der Apotheke des Offenbacher Stadtkrankenhauses übernahm, habe ich mich sofort intensiv dem Thema EDV gewidmet. Zu meiner Freude fand ich ein online-Anforderungssystem für alle Stationen vor – eines der ersten seiner Art in der damaligen Bundesrepublik! Trotzdem war eine Aktualisierung der Materialwirtschaftssoftware erforderlich. Mein langer Weg durch den EDV-Dschungel wurde durch die Mitarbeiter der EDV-Abteilung immer sehr unterstützt.“
Tatsächlich wurden Software-Umstellungen zu Dr. Kneisels ständigen Begleitern: 1999 wurde auf das Materialwirtschaftsprogramm BaaN umgestellt, ab 2000 übernahm die Apotheke sukzessive für das ganze Klinikum den Einkauf des medizinischen Sachbedarfs und weil alles so gut lief, ab 2003 auch den gesamten Materialeinkauf. Ganz so einfach war es aber nicht: Erneut wurde das IT-Programm geändert: Es folgte das Apotheken- und Materialwirtschaftssystem AMOR3 mit dem online Stations-Anforderungssystem Muse. Wieder eine komplett neue Materialwirtschaft, neue Artikelnummern für 13 000 Artikel anzulegen, neue Stations-Anforderungskataloge bilden und sofort Anfang Januar 2005 der Echtstart im kompletten Klinikum - ein voller Erfolg!
Ein Meilenstein für die Apotheke war im Jahr 2006 die Anschaffung des halbautomatischen Komissionierautomaten Axon, der mit der Batchkommissionierung Arzneimittel parallel für 24 Stationen richten und in die Transportkisten verteilen kann. Die elektronische Produkt-Endkontrolle erfolgt durch fotografischen Vergleich der Packungen und Scannen der Pharmazentralnummern.
Für den Krankenhausneubau war ein komplett neues Logistikkonzept für Arzneimittel und Sachbedarf erforderlich. Die Lagerung des medizinischen Sachbedarfs wurde weitgehend in einem neu aufzubauenden Modulsystem abgebildet. Neue medizinische Strukturen auf den Stationen erforderten ein erweitertes Kostenstellensystem, veränderte Anforderungskataloge und Belieferungswege. In einer Parallelversion der Software wurde das neue Krankenhaus virtuell installiert und mit dem Tag des Patientenumzugs wurde der Schalter umgelegt. „Mit Inbetriebnahme des Neubaus konnten alle Stationen von der ersten Stunden an reibungslos ihre Medikamente und den medizinischen Sachbedarf bestellen. Darauf sind wir als Abteilung besonders stolz“, erläutert Dr. Kneisel.
Die patientenbezogene Arzneimittelproduktion startete 2001 mit dem Aufbau der zentralen Zytostatika-Zubereitung in einem dafür errichteten Anbau, der die strengen Vorschriften für diese Substanzen erfüllte. Anfangs waren es ca. 3000 Zubereitungen, deren Zahl sich nunmehr auf über 14500 im Jahr steigerte. Die Apotheke sorgt mit Produktion und Dokumentation für eine hohe Qualität für die onkologischen Patienten des Klinikums.
Seit 2011 werden für die Kinder-Intensiv- und Frühchenstation aseptische Zubereitungen unter hohen Qualitätsanforderungen hergestellt. Das Apothekenteam produziert jährlich 4500 komplex zusammengesetzte parenterale Nährlösungen für Früh- und Neugeborene. Nicht unerwähnt bleiben sollen ca. 8 000 Antibiotikalösungen, 25 000 individuelle Wirkstoffkapseln und ca. 80 000 Ernährungskapseln für die kleinen Patienten.
„Mein gesamter Erfolg war Ergebnis unserer perfekten Teamarbeit“, lobt Dr. Kneisel ihre Mitarbeiter. „Auch die Kontrollen durch das Regierungspräsidium Darmstadt haben wir bestens bewältigt, und bei allen Dienstleistungsbewertungen im Rahmen von Zertifizierungen wurde unsere Abteilung ohne Ausnahme in hohem Maß durchweg positiv bewertet –zu Beginn sogar ohne selbst zertifiziert zu sein. Hohes Qualitätsbewusstsein und erfolgreich an einem Strang ziehen – dafür danke ich allen Beteiligten und bin darauf wirklich stolz!“
Ein Wermutstropfen ist, dass die Apotheke noch auf ein neues Domizil wartet, um den hohen Anforderungen einer Arzneimittelproduktion zukunftsorientiert gerecht zu werden. Aus ökonomischen Gründen konnte das ursprünglich geplante Logistikzentrum in Bieber-Waldhof nicht realisiert werden. Aber das Apothekenteam hofft auf die Chance einer neuen Apotheke auf dem Klinikgelände. „Gerne wäre ich dabei gewesen. Ich habe schließlich schon einmal eine neue Krankenhausapotheke aufgebaut“ bedauert Dr. Kneisel die Entwicklung.
Bei all dem hat Dr. Kneisel (fast) nie ihren – manchmal auch schwarzen – Humor und ihr Motivationsvermögen verloren. „Mein berühmt-berüchtigter 180-Grad-Blick beim Betreten eines Raumes hat viele erstaunt und mir jeweils einen schnellen Überblick verschafft.“ Nicht zu vergessen Dr. Kneisels besondere Begabung, Probleme mit unbestechlicher Schärfe zu erfassen und zu formulieren. Besonders zu schätzen wussten ihre Mitarbeiter ihren dazu passenden Grundsatz: Probleme nicht am Schreibtisch oder Telefon abzuhandeln, sondern vor Ort mit den Mitarbeiterin zu erörtern und zu lösen und praktisch mit anzupacken, wo Regale gerückt oder Paletten gefahren werden müssen.
Dr. Kneisel, ausgestattet mit einer erfolgreichen Promotion bei der damals ersten pharmazeutischen Adresse Deutschlands, dem Frankfurter Pharmakologen Professor Dr. Dr. Ernst Mutschler, arbeitete kurzzeitig als Apothekerin in Mainz und sechs Jahre am Stadtkrankenhaus Rüsselheim, wo sie sich zur Apothekerin für Klinische Pharmazie weiterbildete. Sie eröffnete und leitete die Apotheke und die Materialwirtschaft des Diakonie-Krankenhauses Bad Kreuznach und kam zum 1. Januar 1990 ins Klinikum Offenbach.
Kann sich eine solche Frau – nach 30 Jahren in Leitungsposition- überhaupt im Ruhestand sehen? Die – wie immer prägnante – Antwort: „Klar, ich habe erst 153 Länder besucht. Es gibt also noch viel zu tun.“

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