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Eine Herausforderung nicht nur zu Corona-Zeiten

Leben mit Gehirntumor

Etwa 8.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem bösartigen Tumor im Gehirn. Die Diagnose ist immer noch erschütternd, wenn gleich sich die Perspektiven verbessert und sich auch die 5-Jahres-Überlebenschancen in den letzten Jahren bei etwa 20 bis 25 Prozent stabilisiert haben. Trotz intensiver Forschungsarbeiten sind Auslöser und besondere Risikofaktoren für die Bildung eines Gehirntumors noch relativ unklar. „Umso besser können wir aber sagen, worauf Betroffene im Alltag achten sollten“, so Dr. Elke Januschek. Sie ist Chefärztin der Neurochirurgischen Klinik und Ambulanz am Sana Klinikum Offenbach und behandelt seit vielen Jahren Gehirntumor-Patienten.

Rückkehr in den Alltag

„Auch wenn die Behandlung abgeschlossen ist, sollten Betroffene immer ganz besonders auf sich achten, ohne sich dabei aber von ihrem Tumorleiden beherrschen zu lassen“, so Januschek. Dies gelte nicht nur in so besonderen Zeiten, wie der Corona-Pandemie, in der alle Krebspatienten während der Therapie zu den Risikogruppen gehören. Die Wiederaufnahme eines geregelten Alltags, die Rückkehr an den Arbeitsplatz und die Teilnahme am sozialen Leben ist sowohl aus medizinischer als auch psychologischer Sicht sehr wichtig. Der aktuelle Gesundheitszustand und möglicherweise laufende Begleitbehandlungen sollten hierbei jedoch berücksichtigt werden. Vielen Betroffenen ist nicht bekannt, dass nach einer länger als sechs Wochen währenden Erkrankung Anspruch auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durch den Arbeitgeber besteht. Im Rahmen des BEM werden in der Regel Reha-Maßnahmen, die Anpassung des Arbeitsplatzes und auch eventuelle Umschulungen besprochen. Auch eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem sogenannten „Hamburger Modell“ ist möglich. Grundsätzlich haben Mitarbeiter, die länger als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten festangestellt arbeiten, nach einer Krebserkrankung Anspruch auf eine Teil- statt Vollzeitbeschäftigung sowie auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. „In einem vertrauensvollen Gespräch zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter lassen sich meist für beide Seiten gute Regelungen finden“, weiß Januschek aus vielen Gesprächen mit Betroffenen. Auch Sport, Urlaub, Teilnahme im Straßenverkehr und Familienplanung sind wichtige Themen in den Gesprächen der Chefärztin mit ihren Patienten.

Aktiv mit Sport

Die positive Wirkung von regelmäßiger Bewegung und aktivem Sport sowohl in der Prävention als auch in der Rehabilitation von Tumorpatienten ist in vielen Untersuchungen der letzten Jahre immer deutlicher geworden. Deshalb haben Tumorpatienten mittlerweile einen Anspruch auf besonders geeigneten Reha-Sport, für den die Krankenkassen über 18 Monate hinweg 50 Übungsstunden finanzieren. „Das ist ein Angebot, welches Patienten unbedingt nutzen sollten. Denn gerade für vorbelastete Menschen kann es wichtig sein, zunächst unter fachlicher Anleitung in einer Gruppe mit anderen Sport zu treiben, die ähnliche Erfahrungen teilen“, so die Neurochirurgin. Besonders geeignet sind hierbei eine Kombination aus Kraft- und Ausdauersport. Auch Joggen, Walken, Radfahren, Tanzen und sogar Ballsport oder auch Schwimmen – mit einer aufmerksamen Begleitperson – bieten sich an. Es müssen jedoch besondere Vorkehrungen getroffen werden: Beim Radfahren sollte unbedingt ein Helm getragen werden und beim Fußballspielen muss es nicht unbedingt ein Kopfball sein. Von Tauchgängen sollten Betroffene wegen des Unterwasserdrucks besser absehen. Nicht geeignet sind außerdem sturz- und erschütterungsträchtige Sportarten wie Bergsteigern und Klettern, Motorsport, Reiten oder Boxen. Bei aller Sporteuphorie kennt Dr. Januschek auch Gefahren und warnt: „Es geht bitte nicht um Leistungssport. Patienten sollten eine Überlastung oder eine Überhitzung unbedingt vermeiden. Außerdem müssen sie ausreichend viel trinken und dürfen sich keinem zu großen Licht- bzw. Sonneneinfluss aussetzen. Denn manche Medikamente können phototoxische Reaktionen und Photoallergien auslösen, die dann sehr schnell zu sonnenbrandähnlichen Reaktionen führen können.“

Erholung im Urlaub

Diese Hinweise gelten natürlich auch im Urlaub oder bei sonstigen Freizeitaktivitäten. Wie für alle anderen Aktiven gilt hier auch immer auf die aktuell bestehenden Corona-Regeln zu achten, wie Abstand zu halten und gegebenenfalls einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Ansonsten will Januschek aus medizinischer Sicht nur wenige Einschränkungen zum Thema Urlaub machen. „Verreisen Sie nach Möglichkeit nicht während einer Chemotherapie und auch erst nach abgeschlossener Wundheilung.“ Patienten sollten auf jeden Fall ihren behandelnden Arzt ansprechen, ob eventuell bei der letzten bildgebenden Untersuchung Lufteinschlüsse im Schädel erkennbar waren. Denn diese intrakranielle Luft kann sich unter dem Druck im Flugzeug ausdehnen und dann gefährlich werden. „Denken Sie auch, wenn Sie sich wieder fit und gesund fühlen, an einen Auslandskrankenschutz und buchen Sie möglichst ein Hotel mit ärztlicher Versorgung. Vor allem gilt: Schonen Sie sich ruhig ein bisschen!“

Sicher mobil

Autofahren bedeutet für viele Menschen aktiv, mobil und unabhängig zu sein – und das Gesetz verbietet dies Tumorpatienten auch nicht. Kraftfahrer haben allerdings gemäß §2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – kurz Fahrerlaubnis-Verordnung – dafür Sorge zu tragen, dass sie andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden, wenn sie sich infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen können. Einen normalen PKW kann man meist bereits drei Monate nach einer Hirnoperation steuern. Allerdings sollte im Rahmen der regelmäßigen Nachuntersuchungen auch die Fahrtauglichkeit angesprochen werden. Für eine Fahrerlaubnis der Gruppe 2, zum Beispiel zum Fahren von LKWs und Bussen sowie zur Beförderung von Fahrgästen, gelten deutlich strengere Einschränkungen und eine neurologische oder auch eine neuropsychologische Testung ist in diesen Fällen unabdingbar. „Manche Patienten erleiden nach einer Hirnoperation epileptische Anfälle. Diese Menschen dürfen nicht selbst ein Fahrzeug führen und müssen auch nach einer erfolgreichen medikamentösen Therapie mindestens drei Monate warten, bis sie sich wieder aktiv mit einem Fahrzeug in den Straßenverkehr begeben“, schränkt Dr. Januschek ein.

Kinderwunsch und Familienplanung

„Jüngere Patienten mit der Diagnose Hirntumor oder Krebs haben häufig Angst, keine eigenen Kinder mehr bekommen zu können“, berichtet die Chefärztin aus ihren Gesprächen. Und in der Tat sei dies ein Thema, über welches sich betroffene Frauen und auch Männer vor einer Therapie Gedanken machen sollten. Zum einen können durch eine Chemotherapie oder Bestrahlung Keimzellen geschädigt werden. Zum anderen kann auch die hormonelle Steuerung der Eierstöcke oder der Hoden bei einer eventuellen Schädigung des Hypothalamus oder der Hirnanhangdrüse gestört sein. Deshalb empfiehlt die Ärztin Patienten mit Kinderwunsch vor einer Therapie unbedingt die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen. „Heutzutage können Spermien ebenso wie befruchtete oder auch unbefruchtete Eizellen eingefroren werden. Damit stehen den Patientinnen oder den Patienten auch nach erfolgreicher Therapie viele Möglichkeiten offen!“

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Dr. Elke Januschek

Chefärztin der Neurochirurgischen Klinik und Ambulanz, Sana Klinikum Offenbach

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