Im Alltag können wir auf digitale Medien kaum verzichten. Nahezu jeder Bereich des Lebens ist davon durchdrungen. Leider bleibt das auch bei den Jüngsten nicht ohne Wirkung. Jana Pötzsch-Bischoffberger, Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin in der Kinderarztpraxis Böhlen, MVZ Praxisverbund Leipziger Land, legt daher viel Wert auf die Aufklärung und den richtigen Umgang mit Medienkonsum.
Kinder gehen scheinbar mühelos mit digitalen Medien um. Sie bedienen Online-Programme, ohne dass es ihnen jemand erklären müsste. Worin aber liegen die Gefahren?
Digitale Medien können viele Bereiche der Entwicklung beeinflussen. Man muss sich vorstellen, dass jede Zeit vor dem Handy, der Konsole oder einem anderen Digitalgerät zunächst auf Kosten des direkten Austauschs zwischen Eltern und Kind geht. Bei übermäßigem Medienkonsum reduziert sich beispielsweise der Wortschatz, mit dem sich Eltern und Kinder über den Tag verständigen. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf die sprachliche Entwicklung der Kinder.
Auf emotionaler Ebene sehen wir eine Verringerung der Frustrationstoleranz und Impulskontrolle. Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, sind gereizter und launenhafter. Das liegt in der Natur der digitaler Anwendungen begründet: Wenn ich immer nur einen Button drücken muss, um zu bekommen, was ich will, erlebe ich im Umgang mit den eigenen Wünschen keine Grenzen oder auch mal Enttäuschungen. In der Schule können Konzentrationsstörungen auffallen. Fehlen Bewegungserfahrungen, drohen Verzögerungen in der motorischen Entwicklung. Hinzu kommen Schlafstörungen, die Gefahr des Übergewichts, vor allem wenn viel Ungesundes zwischendurch gegessen wird. Es können chronische Kopf-, Nacken-, Rückenschmerzen entstehen. Bei Jugendlichen sehen wir, dass depressive Verstimmungen und Angststörungen zunehmen.
Woran erkennen Eltern, dass der Medienkonsum ihrer Kinder problematisch ist?
Ich frage die Eltern, wie stark ihr Kind im Alltag beeinträchtigt ist. Solange es in den Bereichen Schule, Hausarbeit, Familie und Freunde keine Einschränkungen gibt, scheint es zu passen. Bleibt allerdings etwas auf der Strecke oder hat das Kind vielleicht schon Fehltage in der Schule angesammelt, dann müssen wir schauen, welchen Einfluss der Medienkonsum hat.
Gibt es Richtwerte in Bezug auf den Medienkonsum, an denen sich Eltern orientieren können?
Eine gute Orientierung bietet die 3-6-9-12-Regel. Bis zum dritten Lebensjahr empfehlen Psychologen ganz auf den Bildschirm zu verzichten, vor dem sechsten Lebensjahr sollte das Kind keine Spielkonsole besitzen, bis neun kein eigenes Smartphone und bis zwölf nicht unbeaufsichtigt mit Computer und Internet umgehen. Was die Digitalzeiten betrifft, empfehle ich zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr ein Limit von einer halben Stunde pro Tag und zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr ein Limit von eine Stunde pro Tag an Bildschirmen. Ab dem zehnten Lebensjahr rate ich den Eltern ein Wochenlimit für den Medienkonsum zu vereinbaren, um den selbstständigen Umgang mit Medien zu trainieren.
Mehr Tipps und Infos zum Medienkonsum bei Kindern finden Eltern hier.