Sana Blaubuch
O P S TA R K E MOM E N T E 29 die Zahl der Bauchtücher und Kompressen wird in der Checkliste vermerkt. Erst jetzt setzt der Chirurg das Skalpell an. Bis zur Naht vergehen nun je nach OP bis zu acht Stunden, in denen jeder im Team den Operationsverlauf aktiv im Auge zu behalten hat. Im Raum herrschen Kon- zentration und Gelassenheit zugleich. Ruhige Bewegungen, kein unnötiges Gerede, stattdessen knappe, klare Ansagen, Augenkontakt, wortloses Verstehen, penibles Einhalten der Hygienevor- schriften. Zur Sicherheit liegt das gesamte Ope- rationsbesteck in doppelter Ausführung und säuberlich sortiert auf dem sterilen Instrumen- tiertisch vor der instrumentierenden Pflegekraft. «Ordnung, Besonnenheit und Überblick sind für uns das A und O», betont Bergmann. « In kritischen Situationen, etwa wenn ein Gefäß verletzt wurde, muss ich sofort wissen, was als Nächstes zu tun Recht im OP Das Auge des Gesetzes Laut Strafgesetzbuch gilt jeglicher Eingriff in die körperliche Integrität eines anderen Menschen als Körper- verletzung. Prinzipiell gilt das auch für medizinische Operatio- nen—es sei denn, sie geschehen mit dem Einverständnis des Patienten. Ohne diese Einwilligung würde sich ein Chirurg, der mit seinem Skalpell einen Bauchschnitt ausführt, strafbar machen. Allerdings reicht die schriftliche Einwilligung in eine Operation alleine nicht aus. Das Gesetz verlangt, dass jeder Patient genau über die damit verbundenen Gefahren aufgeklärt wird. Der Patient muss also genau abschätzen können, ob er sich diesen Risiken aussetzen möchte oder nicht. Eine Einwilligung, der nicht eine detaillierte Aufklärung vorausge- gangen ist, ist rechtlich bedeutungslos. Diese generelle Aufklärungs- pflicht besteht aber nicht bei einer Notope- ration oder bei der Reanimation von Bewusstlosen. So geht Narkose Im Reich der Träume Die Vollnarkose ermöglicht jedem Patienten schmerzfreie Operationen, zugleich aber fürchten sie viele Menschen als totalen Kontrollverlust. Nichts lindert diese Angst besser, als genau zu wissen, was bei der Narkose geschieht. Vor der Narkose erhält der Patient ein Beruhigungsmittel, das angstlösend und entspannend wirkt. Im Narkoseraum schließt der Anästhesist ihn an den Überwachungs monitor an, legt den Venenzugang und lässt ihn über eine Sauer- stoffmaske tief einatmen. Über den Zugang bekommt der Patient ein Opiat verabreicht. Das Mittel unterdrückt den Schmerz und dämmt das Bewusst- sein. Der Patient fühlt sich wie in Watte eingepackt. Als Nächstes folgt die Gabe von Schlaf- mitteln. Die Hypnotika modifizieren über spezielle Botenstoffe und deren Rezeptoren die Reaktion von Nervenzellen auf (erregende) Signale. Die anatomische Verteilung der Rezep- toren bedingt unter- schiedliche Wirkungen der Schlafmittel in einzelnen Gehirnarea- len. Die Vollnarkose schaltet das Gehirn also nicht komplett und undifferenziert ab. Nach Injektion der Hypnotika spürt der Patient erst eine tiefe Müdigkeit, nach maximal einer Minute verliert er das Be- wusstsein ganz. Wenn der Patient tief schläft, erhält er ein Medikament zur Muskelerschlaffung, das die Abwehrreflexe des Körpers lähmt. Auch die Atemmuskeln sind davon betroffen, deshalb wird zur Beatmung häufig ein Tubus – ein weicher Schlauch – in die Luftröhre eingeführt. Während der gesamten Operation kontrolliert der Anästhesist am Monitor die Vitalfunk- tionen des Patienten und die Tiefe der Narkose. Anhand der Puls- und Blutdruck- werte sowie anderer Größen erkennt der Anästhesist, ob er die Dosis der Schmerzmit- tel erhöhen muss oder nicht. Für den seltenen Fall, dass Komplikatio- nen auftreten, stehen Notfallmedikamente und technische Hilfsmittel bereit. Ist der Eingriff beendet, wird die Zufuhr des Narkosemittels nach und nach verringert, die Wirkung nimmt innerhalb von fünf bis zehn Minuten ab. Der Beatmungsschlauch kann entfernt werden, sobald der Patient Husten- und Schluckre- flexe zeigt. Im Aufwach raum beobachtet das Anästhesieteam weiterhin die Vitalfunkti- onen. Nach ein bis drei Stunden ist der Patient vollständig erwacht. fig . Prof. Dr. med. Peter Lipfert, Chefarzt für Anästhesiologie im Krankenhaus Gerresheim, erklärt, wie Narkose funktioniert.
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