Sana Blaubuch
24 S TA R K E MOM E N T E PAT H O L O G I E lich vollständig entfernt hat. Mit bloßem Auge ist das nicht erkennbar, deshalb erhält der Pathologe noch während der Operation Proben von den Rändern des Operationspräparats zur mikrosko- pischen Untersuchung. Nach kaum einer viertel Stunde bekommt der Chirurg imOP die entschei- dende Rückmeldung aus der Pathologie undwird das Krebsgewebe gegebenenfalls noch weiträu- miger entfernen. Solche sogenannten Schnellschnitte erfüllen zwar ihren Zweck, doch für die genaueren Krebs- diagnosen sind spezielle Präparate nötig. Dazu wird das Gewebe entwässert, in Paraffinwachs getränkt und mit Schneidegeräten in weniger als fünf tausendstel Millimeter dünne Scheibchen zerlegt, die auf Glasplättchen aufgezogen und eingefärbt werden. Auf den Laien wirken diese bunten Gewebepro- ben wie abstrakte Kunst, für den Profi hingegen sprechen sie Bände. Zum Beispiel erkennt der Pathologe unter demMikroskop, ob die Zellen der Gewebeprobe einer Brustkrebspatientin an der Oberfläche Andockstellen für einen bestimmten Antikörper haben. Wenn ja, kann das Wachs- tum des Tumors mit genau diesem Antikörper blockiert werden. Dank dieser sogenannten im- munhistologischen Diagnostik sind sehr zielge- richtete Behandlungen möglich geworden. Ob eine Therapie Erfolg versprechend ist oder nicht, kann der Pathologe auch an Erbgutinformationen der Gewebeprobe ablesen. Bei Lungentumoren etwa verrät die molekulare Analyse, ob imGewebe bestimmte Genmutationen nachweisbar sind, die bedingen, dass die Patienten auf ein spezielles Medikament ansprechen. Niedobitek ist überzeugt, dass diese Formen der personalisierten Medizin in der Krebstherapie immer wichtiger werden. «Bis vor Kurzem wurde die Chemotherapie bei Krebspatienten eher pauschal eingesetzt, heute lässt sich die Behandlung vieler Krebsleiden viel individueller steuern. » Weil der Pathologe eine Schlüsselrolle bei der Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle von Tumore—gutartig oder bösartig? Krebsdiagnose unterm Mikroskop Tumor ist der allgemeine Begriff für Wucherungen des körpereigenen Gewebes. Je nach Eigenschaften der Zellen des Tumors werden sie als gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) bezeichnet. Gutartige Tumore wachsen langsam und verdrängen das Nachbargewebe, greifen allerdings nicht darauf über und dringen auch nicht in Blutgefäße ein. Außerdem bilden gutartige Tumore keine Metastasen. Sie sind oft von einer Bindege- webshülle begrenzt und lassen sich operativ meist gut entfernen. Die Zellen sind typischer- weise « reif », das heißt gut ausdifferenziert, und unterscheiden sich kaum von den Zellen, aus denen sie entstehen. Bösartige Tumorzellen wachsen in das umgebende Gewebe ein und zerstören es. Diese Krebszellen können sich auch über die Organgrenzen hinweg ausbreiten, in Blutgefäße eindringen und sich an anderen Stellen des Körpers ansiedeln. Bösartige Krebszellen sind durch ihre schnellen Zell teilungen nicht voll ausdifferenziert, das heißt, sie sind unreif. Wie sehr sich die Zellen des Tumors von den gesunden Zellen des Entstehungsgewebes unterscheiden, kann Hinweise über das Verhalten des Tumors geben und wird als Grading angegeben. «Wir begreifen uns in gewissem Sinn als Anwalt des Patienten, schauen erst einmal genau hin, was wirklich vorliegt. Eine wesentliche Eigenschaft des Pathologen ist dieser gesunde Zweifel am ersten Eindruck. » Prof. Dr. med. Gerald Niedobitek, Chefarzt der Pathologie Sana Klinikum Lichtenberg fig . Tumor bedeutet unkontrolliertes Zellwachstum. Ist er bösartig (Abbildung rechts), spricht man von Krebs.
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