Sana Blaubuch
10 I N T E R V I E W A N G S T V O R D E M K R A N K E N H A U S Heilung des Patienten auswirken können. Sie reagieren mit Blutdruckschwankungen, sind anfäl- liger für Komplikationen, haben mehr Schmerzen und bleiben länger im Krankenhaus. Das kostet dann auch wieder Zeit. Zeit, die frei würde, wenn Pflegekräfte und Ärzte gleich zu Beginn in eine Beziehung zum Patienten treten, die das Aus- sprechen seiner Ängste ermöglicht. Kommt bei der fehlenden Anteilnahme vielleicht auch die Angst des Krankenhaus- personals vor der Angst des Patienten mit ins Spiel? Die gibt es allerdings, vor allem die Befürchtung, nicht angemessen auf die Patientenängste ein- gehen zu können. Aber auch die Angst, selbst an dem Leid der Patienten zu leiden. Sicher ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Selbstsorge und Fürsorge auszutarieren. Aber es ist auch eine Illusion, zu glauben, man könne sich vor der Angst des Patienten schützen, wenn man einfach nur genug Distanz zu ihm hält. Das Krankenhausper- sonal fährt in jedem Fall besser damit, sich mit den Ängsten der Patienten auseinanderzusetzen. Das ist für die eigene Psychohygiene einträglicher und gibt dem Patienten das Gefühl zurück, auch im Krankenhaus als Individuum anerkannt zu werden. Was können Krankenhäuser sonst noch tun, um weniger angstverstärkend auf ihre Patienten zu wirken? ZumBeispiel daran arbeiten, dass das Umfeld des Patienten persönlicher, einladender und wärmer wird. Das geschieht vielfach auch schon. Oder darauf achten, dass die Ansprache der Patienten persönlich und verständlich ist. Auch Rückzugs- möglichkeiten lindern die Ängste der Patienten und verstärken ihr Gefühl, die eigene Intimsphäre zumindest teilweise wahren zu können. Ein weiteres großes Thema ist Transparenz. Angst entsteht ja auch, weil Patienten nicht wis- sen, was hinter den Kulissen des Krankenhauses geschieht, weil sie die internen Abläufe, Regeln und Gepflogenheiten nicht kennen, also jenen Takt, der ihren Aufenthalt in der Klinik maßgeblich bestimmt. Dagegen hilft schon ein Tag der offe- nen Tür, mit Einblicken in den OP-Trakt und an- dere sonst « verborgene » Bereiche oder ganz einfach gute Informationen zu den Abläufen. Und sie brauchen eine Möglichkeit der Einflussnahme, so wäre in diesem Zusammenhang eine gute Idee, Patientinnen und Patienten Aufgaben zu geben, mit denen sie zum Beispiel ihre Ängste selber positiv beeinflussen können. Welche wirksamen Strategien kann der Patient selbst verfolgen, um seine Angst vor einem stationären Aufenthalt in den Griff zu bekommen? Zum einen sollte er sich umfassend darüber in- formieren, was auf ihn zukommt. Zum Beispiel gibt es für viele Eingriffe Informationsfilme und Broschüren. Internet-Foren sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, dort können Ängste auch geschürt werden. Besser ist ein Gespräch mit dem Hausarzt, bei Operationen zum Beispiel spätestens eine Woche vor dem Eingriff. Dann bleibt Zeit genug, um die Informationen zu verar- beiten und mit den Angehörigen, die ja oft auch zur person Miriam Tariba Richter ist Professorin für Pflegewissenschaft mit den Schwerpunkten Gender und Migration an der HAW Hamburg. Bereits 2006 hat sie ihre Diplomarbeit und ein Buch zum Thema «Das Phänomen der Angst von Patienten im Krankenhaus» verfasst. Vor ihrem Studium war sie als Kinderkrankenschwester tätig. Heute ist sie eine gefragte Vortragsrednerin auf Fachkonferenzen und Autorin zahlreicher Fachartikel. Gefährlichen Keimen und Bakterien ausge- setzt zu sein 55% Nicht erfolgreiche Behandlung 61% Fehler der Ärzte 65%
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