Sana Blaubuch

K R A N K E N H A U S H Y G I E N E I N T E R V I EW 09 Prof. Geiss: Das Sana Hygienemanagement be- steht aus drei Komponenten: Erstens haben wir ein monatliches Reporting von Hygieneindikatoren aus allen Krankenhäusern. Diese werden von unserer Seite kommentiert, zumBeispiel mit Rückfragen zu bestimmtenAuffälligkeiten. Ich frage zum Beispiel nach dem Händedesinfektionsmittel-Verbrauch. Warum ist weniger verbraucht worden? Oder: Warum sind bestimmte Erreger im vergangenen Monat häufiger aufgetreten als in den Vormona- ten? Wir möchten damit ein Nachdenken anregen, aus dem Schlussfolgerungen gezogen werden. Zweitens: Ich bin mit meinen Mitarbeitern sehr viel in den Kliniken vor Ort. Wir beobachten dort Abläufe und Prozesse. Vorbildliche Dinge kann ich wieder in anderen Kliniken empfehlen. Und drittens geht es um die Steuerung des Antibioti- kaverbrauchs durch Antibiotic Stewardship, das neben der gezielten Fortbildung von Ärzten und Apothekern auch die systematische Beratung bei der Antibiotikabehandlung umfasst. Dr. Philippi: Wir sind in den letzten Jahren ein großes Stück weitergekommen. Wir können gut gewappnet in die Zukunft blicken. Aber es ist noch Luft nach oben. Ein wichtiger Baustein ist die Erforschung neuer wirksamer Antibiotika. Wie schätzen Sie die aktuelle Pharmaforschung dies­ bezüglich ein? Und wie können Kranken- häuser hier unterstützend agieren? Prof. Geiss: Wie oben bereits erwähnt, ist die Antibiotikaforschung durch die Pharmaindustrie in den letzten zehn bis 15 Jahren aus verschiedenen Gründen massiv zurückgefahren worden. Ein Grund ist sicherlich, dass wir es hier mit biologischen Systemen zu tun haben. Bakterien gibt es seit 3,5 Milliarden Jahren. Sie haben gelernt, die Erde zu beherrschen. Sie leben in den unterschiedlichsten Habitaten—von der Tiefsee über die Wüste bis in die Antarktis. Und sie leben natürlich im und auf dem Menschen mit einer geschätzten Zahl von zehn hoch 14 Zellen und übersteigen damit die Zahl unserer Körperzellen um das 100- bis 1.000-Fache. Sie haben im Laufe ihrer Entwick- lung gelernt, sich sehr schnell sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen. Dazu gehört auch, Überlebensstrategien gegen Umweltgifte zu entwickeln, wie es etwa einAntibiotikum darstellt. Sie entwickeln Mechanismen, die ein Überleben in Gegenwart von Antibiotika sicherstellen: Sie werden resistent gegenAntibiotika. Die bisherigen Antibiotika waren immer nachgeahmte «Gifte» aus der Natur, welche die Bakterien im Prinzip schon alle kannten. Wir sind deshalb mit unserem Forschen und Suchen nach solchen Substanzen an eine Grenze geraten. Dr. Philippi: Entscheidungen der Pharmaindustrie fallen nach einem ökonomischen Abwägungs- prozess. Forschungsinvestitionen müssen sich langfristig rechnen. Prof. Geiss: Wir müssen in der Entwicklung die- ser Medikamente überlegen, ob wir jenseits von Antibiotika nicht neue Wege gehen wollen, die etwa das Immunsystem gegen Infektionserreger stärken. Das können zum Beispiel neue Impfstoffe sein, aber auch alternative Vorgehensweisen. Der Weg über Antibiotika wird jedenfalls langfristig nicht mehr der Weg sein, um Infektionen allumfassend zu bekämpfen. Info: Mehr zum Thema Antibiotikaeinsatz auf Seite 18 ff.

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