Sana Blaubuch

das Bett sollten sie möglichst nur zu Ruhe- und Schlafzeiten aufsuchen. Diese schrittweise Akti- vierung macht die Senioren fit für ihren künftigen Alltag zu Hause. Heilungserfolg, so Neubart, hat in der Geriatrie eine andere Bedeutung als in der organzentrierten Medizin: «Unser Ziel ist, dem Patienten trotz seiner chronischen Krank- heit oder Behinderung ein größtmögliches Maß an Autonomie und Lebensqualität mitzugeben. » Deshalb ist auch die Entlassung der Patienten sorgfältig geplant, der Sozialarbeiter besichtigt mit ihm gemeinsam die Wohnung und identifiziert Problembereiche. Außerdem unterhält die Klinik enge Kontakte zu lokalen Pflegestützpunkten, der Altenselbsthilfe, den ambulanten Pflegeteams und niedergelassenen Therapeuten vor Ort. Ein besonders wichtiges Bindeglied zwischen stationärer und ambulanter Behandlung ist die Geriatrische Tagesklinik im eigenen Haus. Ein Fahrdienst holt die Patienten morgens zu Hause ab und bringt sie nachmittags wieder zurück. Da- zwischen steht ihnen das gesamte medizinische Versorgungsspektrum zur Verfügung. Das Lich- tenberger Geriatriekonzept investiert in die Selb- ständigkeit der Älteren und vermeidet Drehtür­ medizin—ein Gewinn für die Patienten und das Gesundheitssystem. K n o c h e n b r ü c h e i m h o h e n A lt e r Wieder auf den Beinen Rehabilitation bei alten Menschen basiert auf der einfachen Logik: Mobilität so schnell wie möglich. Nach einem Sturz in seiner Wohnung wird Dieter Ilse in das Klinikum Lichtenberg eingeliefert. Die Diagnose: Hüftfraktur. Zwei Wochen später geht der 86-Jährige schon wieder im Innenhof der Klinik spazieren, gestützt auf einen Gehwagen, aber mit zunehmend sicheren Schritten. « Ich hätte nie gedacht, dass ich nach diesem schweren Knochenbruch wieder so schnell auf die Beine komme», sagt der Mathematikprofessor im Ruhestand. Zu verdanken hat er die rasche Mobilisierung einem Rehabilitationsprogramm, das bereits kurz nach der Operation beginnt. Un- ter Anleitung des Therapeutenteams lernt der Patient Schritt für Schritt, sein verletztes Bein wie- der zu belasten. Schon nach wenigen Tagen kann er das Bett ohne fremde Hilfe verlassen. Inzwischen trainiert Ilse seine Geh- und Balancefähigkeit täg- lich mit verschiedenen Geräten, absolviert Übungen zur Verbesserung der Körperwahrnehmung und erhält Tipps zur Sturzvermeidung. Vor seiner end- gültigen Entlassung wird er seine Rehabilitation in der geriatrischen Tagesklinik fortsetzen und nur über Nacht zu Hause sein. Eine gute Übergangslösung, meint Ilse: «Auch meine Frau ist über 80 und kann mir oft nicht helfen, also muss ich lernen, wieder alleine klar- zukommen. » ... geht's weiter! Gesellschaft des langen Lebens fig.: Die Hüftfraktur ist der häufigste sturzbe- dingte Knochenbruch im Alter. Oft blei- ben Mobilität und Selbständigkeit der Patienten dauerhaft eingeschränkt oder gehen sogar ganz verloren. Dieter Ilse bleibt dieses Schicksal erspart dank eines umfas- senden geriatrischen Therapieprogramms. Für das Jahr 2030 hat das Statistische Bun- desamt vorausberech- net, dass die Zahl der 60-Jährigen und Älteren voraussichtlich um rund ein Drittel steigen wird. Die Zahl der über 80-Jährigen soll sich sogar um über 55 Prozent erhöhen —von heute 4,1 auf 6,4 Millionen Menschen. Und die Zahl der über 90-Jährigen wird sich sogar verdreifachen. Im Jahr 2050 wird das Durchschnittsalter der Deutschen von heute 42 Jahren voraussichtlich auf 50 Jahre gestiegen sein. Fast 40 Prozent der Deutschen werden dann 60 Jahre und älter sein, und die Zahl der über 80-Jährigen soll sich verdreifacht haben   —von knapp vier auf zehn Millionen. Gleich- zeitig sinkt die Zahl der Menschen im erwerbsfä- higen Alter. Im Jahr 2060 wird den Berechnungen zufolge jeder siebte Deutsche 80 Jahre oder älter sein. Zu diesem Zeit- punkt leben nur noch 70 Millionen Menschen in Deutschland (heute noch etwa 82 Millio- nen). Allen Prognosen zufolge soll es in 40 Jahren hierzulande 16 mal so viele 100- Jährige geben wie heute. Einzigartig in der Geschichte der Menschheit. r a i n e r n e u b a r t 2 0 11 37

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