Hof

Expertenaustausch zum Wohle der Patientinnen und Patienten

15 Jahre TraumaNetzwerk Oberfranken

Fans zahlloser Arztserien wissen: Wenn ein Patient für den Schockraum angeliefert wird, zählt jede Sekunde, und ein großes Team von Ärzten und Pflegekräften kämpft um ein Leben. Weil das Schicksal sich nicht an Dienstpläne hält, muss das zu jeder Tages- und Nachtzeit klappen. Kliniken, die das leisten können, und diese Leistungsfähigkeit im Rahmen einer Zertifizierung unter Beweis gestellt haben, dürfen sich Traumazentrum nennen. In Oberfranken gibt es zehn Traumazentren, die sich vor genau 15 Jahren zum heutigen TraumaNetzwerk Oberfranken zusammengeschlossen haben.

Initiator des Zusammenschlusses – und Gastgeber der Jubiläumsveranstaltung – war Professor Matthias Schürmann, Chefarzt der Unfallchirurgie, orthopädischen Chirurgie und Handchirurgie am Sana Klinikum Hof. „Das TraumaNetzwerk Deutschland wurde in den Jahren 2006/2007 auf Initiative der deutschen Gesellschaft der Unfallchirurgie gegründet“, erinnert sich Schürmann. Grund war, dass die Versorgung von Unfallverletzten in Deutschland sehr unterschiedlich gehandhabt wurde, und in kleineren Kliniken nicht rund um die Uhr gewährleistet war. Es galt also Standards zu definieren und ein leistungsfähiges Netz zur Versorgung Schwerstverletzter aufzubauen. Im Januar 2008 sind die Chefärzte der Oberfränkischen Kliniken zum ersten Mal in Hof zusammengekommen, um sich dieser Aufgabe zu stellen.

Seitdem ist viel passiert: Alle Oberfränkischen Häuser haben die Zertifizierung zum Traumazentrum absolviert, wodurch 2010 auch die Zertifizierung zum TraumaNetzwerk Oberfranken möglich wurde. 53 solcher Netzwerke gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz; etwa 680 weltweit. „Innerhalb des Netzwerkes helfen wir uns gegenseitig, und es existieren Pläne, wie bei großen Anforderungen oder in besonderen Krisen die Patienten auf die einzelnen Häuser verteilt werden können“, erklärt Professor Schürmann. In Oberfranken gibt es rund 400 Schwerstverletzte pro Jahr. 40 davon werden am Sana Klinikum Hof eingeliefert. Zwar beträgt die Zahl der Schockraum-Anlieferungen in Hof insgesamt 400 – „doch zum Glück bestätigt sich nicht jeder Verdachtsfall auf Schwerstverletzung“.

Bei ihren regelmäßigen Treffen, mindestens drei Mal pro Jahr, tauschen sich die Mitglieder des TraumaNetzwerk Oberfranken über chirurgische Herausforderungen, aktuelle Fälle und statistische Fallzahlen aus. Professor Schürmann erklärt: Zur Qualitätssicherung existiert ein deutschlandweites Register, in dem alle Fälle detailliert dokumentiert werden. „Man wird hier mit den eigenen Leistungen und Ergebnissen konfrontiert und erhält nützliche Hinweise, wo man steht.“ Diesen Stand kontinuierlich zu verbessern ist eines der Ziele des TraumaNetzwerk Oberfranken.

Deshalb standen zur Jubiläumsveranstaltung nicht nur eine kleine Feier, sondern auch zehn Impulsvorträge auf dem Programm. Die Teilnehmer und Referenten aus Bamberg, Bayreuth, Coburg, Forchheim, Hof, Kronach, Kulmbach, Münchberg, Naila und Bad Staffelstein tauschten sich beispielsweise über die Bildgebung bei Kindern aus. Professor Peter Strohm vom Klinikum Bamberg betonte: „Kinder sind strahlenempfindlicher als Erwachsene.“ Weshalb der Strahlenschutz bei Untersuchungen eine große Rolle spielen sollte. Dennoch sei bei vielen Frakturen im Wachstumsalter die Erstellung eines Röntgenbildes unverzichtbar.

Professor Michael Müller, Klinikum Bayreuth, stellte Neuerungen in der Behandlung von Sprunggelenksfrakturen vor, und Professor Stefan Piltz von den Regiomed Kliniken Coburg sprach über Verletzungen des Sternoclaviculargelenks, das das Brustbein mit dem Schlüsselbein verbindet, und das selbst erfahrene Chirurgen in der Regel nur wenige Male in ihrem Berufsleben operieren. Wegen der Nähe zu wichtigen Blutgefäßen sei hierbei besondere Vorsicht geboten. 

Dr. Uwe Lehmann, Klinikum Forchheim, und Dr. Axel Wilhelm, Klinikum Kulmbach, widmeten ihre Kurzvorträge dem Thema Beckenfrakturen. Weil im Bereich des Beckens sowohl große Blutgefäße als auch Organsysteme und zahlreiche Muskeln liegen, kann es hier schnell ums Überleben gehen. Andrzej Kubiak von der Helios Frankenwaldklinik Kronach sprach über die Schenkelhalsfraktur, einen der häufigsten Brüche besonders bei älteren Menschen, Dr. Sven Houserek von den Kliniken Hochfranken Münchberg stellte die optimale Therapie der Achillessehnenruptur vor, und Dr. Wolfang Zechel von den Kliniken Hochfranken Naila ging auf die proximale Humerusfraktur ein – einen Bruch des schulternahen Oberarmknochens, der besonders bei Osteoporose-Patienten häufig vorkommt. Dr. Stefan Middeldorf von der Schön Klinik Staffelstein, der einzigen Reha-Klinik des Netzwerks, stellte Möglichkeiten und Grenzen der physikalischen Therapie vor.

Gastgeber Professor Schürmann warf einen Blick in die Zukunft seiner Zunft: Er hat sich ausgiebig in die jüngsten Veröffentlichungen der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung eingelesen. Die geplante grundlegende Reform der Krankenhausvergütung hat einen entscheidenden und lang ersehnten Vorteil für die Kliniken: In Zukunft soll auch die reine Vorhaltung von Infrastruktur und Leistungen vergütet werden. Für das Beispiel der Schockraum-Einlieferung bedeutet das: Den Kliniken wird endlich auch die lebensrettende Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft bezahlt und nicht nur die Anzahl der tatsächlich behandelten Patienten. Die Fallpauschalen – die Vergütung der Behandlung einer definierten Erkrankung unabhängig von der tatsächlichen Verweildauer im Krankenhaus – bleiben zwar bestehen, verlieren aber an Bedeutung. 

Im Gegenzug geht der Professor davon aus, dass die Anforderungen beispielsweise an Schwerpunktkrankenhäuser stark steigen werden. Zudem bilde das, was er bisher über die Reformpläne lesen konnte, so manche spezielle Herausforderung der Unfallchirurgie nicht ab. Nicht alle Aufgaben könne man an andere Fachrichtungen delegieren. „Die Unfallversorger sind eierlegende Wollmilchsäue. Sie müssen alles können – und zwar innerhalb weniger Minuten.“

Text: Sandra Langer
 

Anja Kley
Leitung Marketing und Unternehmenskommunikation
Sana Klinikum Hof

anja.kley@sana.de