Dresden

Warten auf den erlösenden Anruf

Zum bundesweiten Tag der Organspende am 5. Juni

Seit 15 Jahren lebt Claus Lutze mit einem fremden Herzen. Er war der erste Patient, der im Herzzentrum Dresden Universitätsklinik ein Spenderorgan erhielt.

Als Claus Lutze beim Verlegen von Heizungsrohren in einen Kabelgraben stieg, waren ihm plötzlich die Gummistiefel zu eng. Wasser in den Beinen – ein erstes Anzeichen seiner gefährlichen Herzkrankheit. Luftnot kam hinzu und zwang ihn, einen Arzt aufzusuchen. Sein Kardiologe, Dr. Hohensee, wies ihn ins Herzzentrum Dresden ein. Nach einer Woche intensiver Untersuchungen erfuhr Claus Lutze die Diagnose: Herzmuskelschwäche. „Sie brauchen ein neues Herz, hieß es, meins sei ganz ausgelatscht“, erinnert er sich mit feinem Lächeln. Da zählte der Rohrleitungsmonteur gerade 49 Jahre, und an eine Berufstätigkeit war nicht mehr zu denken. „Ich konnte kaum noch Treppen steigen und musste im Sitzen schlafen, weil ich im Liegen keine Luft bekam“, erinnert sich der Dresdner. Wenn er zur Kaufhalle ging, musste er alle fünf Meter eine Pause einlegen. Dann hat er sich umgedreht, als warte er auf jemanden. Es war ihm peinlich, dass sich die Leute über sein Tempo wundern könnten.

Im Herzzentrum Dresden wurde Claus Lutze in die Warteliste für eine Herztransplantation aufgenommen. Am 10. Mai 1995 war es soweit und der ersehnte Anruf kam. „Ich erfuhr, dass ein Spenderherz da ist und ich sofort in die Klinik muss“, berichtet er. Unverzüglich packte er seinen Koffer. Wenige Stunden später hatte Prof. Schüler, der damalige Leiter der Herzchirurgie, ihm als erstem Patienten in der Klinik das rettende Organ transplantiert.

Noch heute merkt man Ursel Lutze Schreck und Erleichterung an, wenn sie an diese Zeit zurückdenkt: „Nach der Operation haben wir erfahren, dass mein Mann nur noch wenige Wochen gelebt hätte, wäre das Herz nicht gekommen.“

Seither haben beide öfter über die Umstände gesprochen, die eine Organspende begleiten. In manchen Ländern ist sie vorgeschrieben und wird nur außer Kraft gesetzt, wenn jemand ausdrücklich widerspricht. „Solche Gesetze wären in Deutschland auch wichtig“, ist Ursel Lutze überzeugt. Und ihr Mann setzt hinzu: „Ich bin den Angehörigen des Verstorbenen sehr dankbar, dass sie der Organspende zugestimmt haben.“

Refugium Garten

Wenn der 66-Jährige auf die 15 Jahre Leben mit einem fremden Herzen zurückblickt, fällt seine Bilanz positiv aus. „Ich fühle mich kerngesund und wir leben so normal wie möglich“, ist seine erste spontane Reaktion. Natürlich gibt es Einschränkungen. Aber an die hat er sich längst gewöhnt und sie trüben seine Lebensfreude nur selten. Manchmal steht ihm alles wieder vor Augen, wenn jemand anruft, der auf ein Spenderorgan wartet und wissen möchte, wie es sich mit einem fremden Herzen lebt. Dann erzählt Claus Lutze, dass er sich vor jeder Infektion in Acht nehmen, mit seinen Kräften haushalten und diszipliniert Medikamente nehmen muss. Der Körper könnte sonst das fremde Herz wieder abstoßen. Zwei Jahre lang musste er sich beim Schlafengehen an ein Gerät zur

Fernüberwachung anschließen. Es übertrug Messdaten an eine rund um die Uhr besetzte Leitstelle. In der Zeit wurde sein Zustand jeden Monat im Herzzentrum untersucht. Inzwischen haben sich die Abstände auf ein Vierteljahr verlängert. „Ich fühle mich dort gut aufgehoben und kann jederzeit hinkommen, wenn es mir mal nicht gut geht“, versichert er. Die Entscheidung, in die Transplantation einzuwilligen, hat er keinen Tag bereut. Auch nicht, als klar war, dass er keine Erwerbsarbeit mehr ausüben kann und viel freie Zeit allein verbringen muss, weil seine Frau noch berufstätig ist. Deshalb hat sich das Ehepaar einen Schrebergarten zugelegt. Unter Claus Lutzes Händen wurde er zu einem kleinen Paradies – mit Pergola und Fernblick in die Sächsische Schweiz, Spielecke für die Enkel und Beete fürs Gemüse. Dort verbringt der Dresdner im Sommerhalbjahr viel Zeit, wenn er früh seine Frau mit dem Auto zur Arbeit gebracht hat. „Und im Urlaub zieht es uns ins Flachland. Unser Favorit ist die Lüneburger Heide.“

Spenderausweis hilft Leben zu retten

Interview mit Prof. Klaus Matschke, Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden Universitätsklinik

Seit 15 Jahren mit einem fremden Herzen zu leben, ist das der Normalfall?
Claus Lutze ist ein besonderer Patient. Er war der erste, der bei uns im Herzzentrum Dresden Universitätsklinik ein fremdes Herz bekam. Wir sind froh, dass in Dresden noch zwei weitere Patienten ihr 15-jähriges Transplantationsjubiläum feiern können. Im Regierungsbezirk Chemnitz lebt eine Frau, die vor 14 Jahren im Herzzentrum Dresden ihr Spenderorgan erhielt. Über 20 Patienten aus dem Regierungsbezirk wurden bei uns transplantiert.

Welche Chancen hat ein Patient, rechtzeitig ein Spenderherz zu bekommen?
Herzchirurgisch gesehen sehr gute, weil es effektive Operationsmethoden gibt und wir im Herzzentrum über das entsprechende Know-how verfügen. Was die zur Verfügung stehenden Organe betrifft, sieht es allerdings anders aus. Ihre Zahl sinkt nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Patienten müssen meist Jahre auf ein neues Herz warten. In dieser Zeit verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand oft erheblich. Das wirkt sich auf die Lebenserwartung nach einer Transplantation aus. Da die Warteliste immer länger wird, steigt das Risiko, bereits in dieser Wartezeit zu versterben.

Können Sie konkrete Zahlen nennen?
Im Herzzentrum Dresden Universitätsklinik konnten wir im vergangenen Jahr nur vier Patienten mit einem fremden Herzen helfen. 2007 waren es noch elf. Insgesamt wurden 2009 in Deutschland 346 Herzen transplantiert. Auf der Eurotransplant-Warteliste standen 920 Patienten, 105 mehr als 2008. Diese gemeinnützige Organisation in Leiden/Niederlande vermittelt und überwacht alle Organspenden in ihren Mitgliedsländern und nimmt die Patienten in die Warteliste auf.

Wie lässt sich die Situation verbessern?
Wenn mehr Menschen ihre Bereitschaft für eine Organspende erklären. Das kommt mit einem Organspendeausweis zum Ausdruck. Wenn dieser erklärte Wille fehlt, müssen Ärzte die Einwilligung der Angehörigen einholen. Bei der Entscheidung ist ein Organspendeausweis des Patienten für die Angehörigen in der Regel eine große Hilfe, den letzten Willen des hirntoten Patienten zu respektieren. Es kann also Menschenleben retten, wenn sich jemand rechtzeitig mit dem Gedanken an eine Organspende nach dem Tod vertraut macht und einen entsprechenden Ausweis besitzt. Er ist kostenlos im Herzzentrum Dresden, bei der Deutschen Herzstiftung oder bei der Deutschen Stiftung Organspende zu erhalten.

Kontakt:
Tel: 0351 450-1801, E-Mail: <link>Kardiochirurgie@Herzzentrum-Dresden.com

Wissenswertes zum Organspendeausweis

  • Um seine Bereitschaft für eine Organspende zu bekunden, reicht es, den Organspendeausweis mit eigenen Angaben auszufüllen und bei sich zu tragen. Ein Foto, Angabe von Krankheiten oder eine offizielle Registrierung sind nicht erforderlich.
  • Eine feststehende Altersgrenze gibt es nicht. Minderjährige können ab dem 16. Lebensjahr ihre Bereitschaft zur Spende mit dem Ausweis dokumentieren.
  • Krankheiten müssen nicht im Ausweis angegeben werden. Die medizinische Eignung der Organe für eine Transplantation wird geprüft, nachdem der Tod durch zwei unabhängige Ärzte festgestellt worden ist. Organspende ist zustimmungspflichtig. Liegt kein Spendeausweis vor, werden ohne Einverständnis der Angehörigen keine Organe entnommen.
  • In einem Organspendeausweis kann man auch dokumentieren, dass man sich gegen eine Spende einzelner oder aller Organe entscheidet.
  • Eine Organspende schließt Geld- oder Sachleistungen aus. Das Transplantationsgesetz stellt den Organhandel unter Strafe.
  • Ausweise können per kostenlosem Infotelefon unter 0800 9040400, per Mail unter <link>infotelefon@dso.de angefordert oder online bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter <link http: www.organspende-info.de>www.organspende-info.de ausgefüllt werden.