Es ist ein alter Mythos, der bis etwa Mitte der 1980er Jahre Bestand hatte: Menschen mit Herzschwäche sollten auf Bewegung verzichten. Zum Glück hat die Medizin herausgefunden, dass dies längst überholt ist. Kardiologen testen heute jeden Patienten individuell auf dessen Leistungsfähigkeit und erstellen dann eine individuelle Trainingstherapie. Denn Sport ist gut, auch für ein krankes Herz. Der Kardiologe Dr. Ephraim Winzer, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie des Herzzentrums Dresden Universitätsklinik, erklärt, wieso.
Herr Dr. Winzer, ein Spaziergang hilft einem kranken Herzen mehr als entspannen auf der Couch?
Dass Bewegung gut ist für den Körper, ist ja allgemein bekannt. Sport reduziert nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch von Typ-2-Diabetes, Darmkrebs, Brustkrebs, Demenz, Schlaganfällen und Depressionen. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Sport auch für ein krankes Herz wichtig ist. Und dabei meine ich nicht nur Spazierengehen. Es ist sogar durchaus sinnvoll, zumindest kurzfristig bis an die Grenzen der Belastbarkeit zu gehen. Dann pumpt das Herz nämlich besser, auch ein krankes.
Also sollte jemand mit Herzproblemen auch hart trainieren?
Ganz so einfach ist es nicht. Vor belastendem Sport ist zunächst ein Aufbauprogramm nötig. Man muss langsam herangeführt werden. Eine Trainingstherapie bei herzkranken Patienten sollte von einem Kardiologen wie ein Medikament verschrieben und ärztlich beaufsichtigt werden. Wir testen die Leistungsgrenzen eines jeden Betroffenen ganz individuell und passen die Trainingsempfehlung daran an. Dafür müssen die Patienten unter anderem einen Leistungstest auf dem Fahrradergometer durchführen. Je nach Begleiterkrankungen und Vorlieben kann dann zwischen verschiedenen Trainingsformen gewählt werden. Für manche Patienten ist auch ein Intervalltraining geeignet. Dabei wird das Widerstandsniveau gehoben und gesenkt sowie für kurze Phasen fast an der maximalen Belastbarkeit trainiert. Auf diese Weise erfahren die Patienten mehr über ihren Körper und ihren Puls. So gewöhnen sie sich an den regelmäßigen Sport und profitieren von der Leistungssteigerung. Das kann dann später auch im Alltag beim Radfahren, beim Laufen oder Nordic Walking genutzt werden. Ich empfehle zumeist die Nutzung einer Pulsuhr. Dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Spielt es beim Sport eine Rolle, an welcher Herzerkrankung man leidet?
Kaum. Wichtig ist nur die richtige Dosis. Wettkampfsport kommt nicht in Frage. Kontrolliertes Training aber gehört zur Behandlung von Durchblutungsstörungen oder Herzmuskelschwäche klar zur Behandlung dazu. Auch Patienten mit einem Herzschrittmacher müssen sich sportlich nicht einschränken. Die Geräte sind heute so modern, dass sie genau auf den Patienten reagieren und den Puls entsprechend der körperlichen Belastung regeln können. Einschränkend wirkt hier nur die Positionierung des Schrittmachers unter dem Schlüsselbein. Stöße oder Schläge gegen den Oberkörper können die Elektrik kaputt machen, welche den Schrittmacher und das Herz verbindet. Also sind Kampfsportarten wie Boxen oder Karate nicht zu empfehlen. Nur bei wenigen Herzerkrankungen wie einer akuten Herzmuskelentzündung durch Viren ist Sport absolut verboten. Vor dem Beginn von sportlichem Training sollten Herzpatienten daher immer ihren Kardiologen aufsuchen.
Veranstaltungshinweis:
Innerhalb der Veranstaltungsreihe „Herzensangelegenheiten“ findet zum Thema Sport mit einer Herzerkrankung am Mittwoch, 31. Januar, ein Vortrag für medizinisch Interessierte am Herzzentrum Dresden Universitätsklinik statt. Oberarzt Dr. Ephraim Winzer erklärt unter dem Motto „Herzkrank und Sport – was darf ich?“, welcher Sport gut für das Herz ist und was es aber dennoch zu beachten gilt. Anschließend steht er für Fragen der Besucher zur Verfügung. Los geht es um 17 Uhr im Hörsaal des Herzzentrums, Fetscherstraße 76, 01307 Dresden. Der Eintritt ist frei. Es ist keine Anmeldung erforderlich.