Dresden

Erstmals in Ostdeutschland

Kleine Kapsel, große Wirkung

Patientin und Arzt im Gespräch: Dr.med. Thomas Gaspar, kommissarischer Leiter des Bereichs Rhythmologie der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie am Herzzentrum Dresden, erklärt seiner Patientin Gitta Neubert genau, wo er den neuartigen Mini-Herzschrittmacher implantiert hat und wie er funktioniert. Foto: Robert Reuther

Endlich! Der Druck in der Brust ist weg. Dies sind die ersten Gedanken, die Gitta Neubert durch den Kopf gehen, als sie nach dem 30-minütigem Eingriff aus ihrem leichten Schlummerschlaf erwacht. Möglich macht dies eine ganz besondere, nur 1,75 Gramm schwere Kapsel, welche der 75-jährigen Dresdnerin jetzt am Herzzentrum Dresden Universitätsklinik als erste Person in ganz Ostdeutschland implantiert worden ist. „Es handelt sich dabei um eine neuartige Weiterentwicklung des kleinsten Herzschrittmachers der Welt. Dieser ermöglicht es uns, nun auch Patienten mit einem sogenannten AV-Block die kabellose Variante eines Schrittmachers minimalinvasiv einzusetzen“, erklärt Dr. med. Thomas Gaspar, kommissarischer Leiter des Bereichs Rhythmologie der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie.

Ein AV-Block ist eine Herzkrankheit, bei der die elektrische Reizleitung zwischen den Kammern des Herzens (Vorhöfe und Ventrikel) gestört ist. Die Folge ist, dass das Herz zu langsam schlägt. Bei Gitta Neubert ist dies ganz plötzlich und ohne ersichtlichen Grund aufgetreten. „Alles, was ich gemerkt habe, war, dass mich meine geliebte Gartenarbeit selbst bei den einfachsten Sachen mehr und mehr angestrengt hat. Mir fiel das Atmen schwerer, ich war nicht mehr so leistungsfähig und antriebslos“, erinnert sich die Rentnerin an die klassischen Symptome dieser Herzrhythmusstörung. „Ich bin sehr gesundheitsbewusst und habe auch wegen der Corona-Krise täglich meinen Blutdruck gemessen. Dabei ist mir mein stark schwankender Puls aufgefallen.“ Ein Routinecheck bei ihrer Hausärztin zeigte, dass mit ihrem Herzen etwas nicht stimmt. Nach der Überweisung ins Herzzentrum Dresden steht die Diagnose schnell fest: ein kompletter AV-Block.

Bei dieser Erkrankung helfen keine Tabletten. Die beste Behandlungsmethode ist das Einsetzen eines Schrittmachers. „Dieser koordiniert die elektrische Aktivität der Vorhöfe und Herzkammern und sorgt so dafür, dass die Herz-Hauptkammern die vom Körper geforderte Pulsfrequenz haben, sowie dass die verschiedenen Bereiche des Herzens wieder synchron arbeiten. Dies verbessert die Durchblutung. Damit wird die Sauerstoffversorgung des Körpers optimiert, was zu einer Steigerung der Lebensqualität führt“, so Dr. med. Thomas Gaspar. In Deutschland tragen etwa 500.000 Menschen einen Herzschrittmacher.

Kleine Sonde anstelle von Schrittmacher mit Kabeln

Bisher wurden jene Patienten mit konventionellen Zweikammer-Schrittmachern behandelt, welcher unter die Haut im Bereich des Schlüsselbeins implantiert und mit dem Herzen anhand von dünnen Kabeln, sogenannten Elektroden, verbunden werden. „Diese Elektroden sind gleichzeitig auch die Schwachstelle der konventionellen Schrittmacher. Neben technischen Defekten wie Kabelbrüchen, kann es zu Infektionen kommen, bei welchen Bakterien eindringen und im schlimmsten Falle auf das Herz übergreifen können. Zudem werden selbst optimal implantierte Herzschrittmacher von einigen Patienten als kosmetisch störend empfunden“, sagt Dr. med. Gaspar. Die Kardiokapsel hingegen wird mit winzigen Titanärmchen in der Herzwand verankert und gibt anschließend über einen Pol an der Spitze des Geräts die elektrischen Impulse für die Herzaktivität ab.

Die neuartige Weiterentwicklung des kleinsten Herzschrittmachers der Welt kommt für Gitta Neubert gerade recht. Die aktuelle Version ist mit der Größe einer Vitamintablette genauso klein, wie sein 2015 eingeführtes Einkammer-Vorgängermodell, kann ebenfalls minimalinvasiv implantiert werden und hat eine Lebensdauer von etwa zehn Jahren, wie konventionelle Schrittmacher auch. Die Kardiokapsel hat jetzt allerdings einen integrierten Sensor, der kontinuierlich die Herzaktivität und -taktung der Vorkammer – dem Sitz der elektrischen Zündkerze des Herzens – erkennt, auswertet und dadurch eine koordinierte Stimulation zwischen Ventrikel und Vorhof ermöglicht, also die wichtige AV-Synchronität herstellt. „Für Frau Neubert ist das eine tolle Sache. Und für viele andere auch. Wir können jetzt viel mehr Patienten mittels der Kardiokapsel behandeln“, so Dr. med. Thomas Gaspar.

Gitta Neubert ist begeistert. Nicht nur der lästige Druck in der Brust ist verschwunden. In den kommenden Tagen wird sich auch ihre Leistungsfähigkeit merklich verbessern. „Ich freue mich schon darauf, endlich wieder im Garten arbeiten zu können.“

Robert Reuther
Referent Unternehmenskommunikation | Pressesprecher
Herzzentrum Dresden GmbH Universitätsklinik

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