Die Geschichte der Herzchirurgie begann am 9. September 1896. Damals gelang es Ludwig Rehn in Frankfurt, eine Herzstichverletzung erfolgreich durch eine direkte Naht zu verschließen. Dank der Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine und der Möglichkeit am still stehenden Herzen zu operieren gelang Medizinern Mitte der 1950er Jahre ein Durchbruch bei der Herzchirurgie. Erst sie ermöglichte Klappenersatz- und Bypass-OPs sowie Herztransplantationen. Seitdem hat sich jede Menge getan, wie Privatdozent Dr. Manuel Wilbring aus der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums Dresden Universitätsklinik im Gespräch erklärt.
Herr Dr. Wilbring, im Bereich der Herzmedizin sprechen viele Kardiologen von einem Wandel. Ist das im Bereich Herzchirurgie auch so?
Das ist auch in diesem Bereich so. Die letzten Jahre waren im Wesentlichen von einem Aneinanderrücken beider Fachdisziplinen gekennzeichnet. Dank zahlreicher technischer Neuerungen sind die Behandlungsoptionen, über die wir heute verfügen, wesentlich vielseitiger. Dank der technischen Innovation und der verbesserten interdisziplinären Zusammenarbeit sind wir heute in der Lage nahezu jedem Patienten eine für ihn maßgeschneiderte Behandlungsmöglichkeit anzubieten. Dies ist auch dringend nötig, da unsere Patienten immer älter und ihre Erkrankungen immer komplexer geworden sind. Waren vor 25 Jahren von 100 Patienten, die am Herzen operiert werden mussten nur etwas mehr als zwei älter als 80 Jahre, sind es heute über 15 Patienten älter 80 Jahre. Und dennoch – dank der Innovationen ist es gelungen, die Sterblichkeitsrate nach einer Herz-OP in diesem Zeitraum kontinuierlich zu senken. Heutzutage ist beispielsweise das Risiko einer geplanten Bypass-Operation deutlich unterhalb eines Prozents.
Was sind die häufigsten Herzoperationen?
Das sind einerseits Bypass-Operationen bei verengten Herzkranzgefäßen. Anderseits der Ersatz von Herzklappen, wenn diese in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. Eine besondere Herausforderung stellen Patienten mit schwerer Herzschwäche dar. War hier früher die Herztransplantation der Goldstandard, so spielt diese heute aufgrund des großen Mangels an Spenderherzen in Deutschland kaum noch eine nennbare Rolle. Eine wichtige alternative stellen sogenannte Kunstherzen oder Herzunterstützungssysteme dar. Diese sind in der nunmehr dritten Generation technisch so weit vorangeschritten, dass sie vielen Patienten eine Rückkehr in den Alltag erlauben.
Die Vorstellung einer offenen Herzoperation macht vielen Menschen Angst. Ist diese gerechtfertigt?
Respekt vor einer OP – egal welcher Art – ist immer richtig und wichtig. Und sie können sich sicher sein, dass, auch wenn es für uns als behandelnde Ärzte sicher ein Stück weit Alltagsroutine geworden ist, auch wir stets Respekt und Sorgfalt bei einer OP aufbringen. Grundsätzlich ist es natürlich immer schöner, man braucht keine Operation – allerdings ist dies für viele Betroffene häufig keine sinnvolle Option. Wir können aber unsere Patienten beruhigen und sagen, dass die Herzchirurgie heute so sicher ist wie noch nie zuvor. Allgemein gesprochen ist das Risiko bei einer Herzoperation zu versterben allgemein sehr gering. Wenn möglich und sinnvoll – beispielsweise bei isolierten Aorten- und Mitralklappeneingriffen – wird grundsätzlich auch angestrebt den Eingriff minimalinvasiv, das heißt in Schlüssellochtechnik durchzuführen um dem Patienten die vollständige Eröffnung des Brustkorbes zu ersparen. Zusätzlich ist es dank neuer Methoden häufig möglich, Hochrisikopatienten alternative Verfahren anzubieten.
Worauf sollten Patienten achten, die sich für eine Herz-Operation entscheiden?
Wichtig ist, dass das Ärzteteam der Klinik sich den Patienten ganz genau und individuell anschaut und gemeinsam berät, welche OP-Methode bei dem jeweiligen Krankheitsbild Sinn macht. Um dies zu gewährleisten beraten wir uns am Herzzentrum Dresden intensiv mit unseren Kollegen aus dem Fachbereich Kardiologie. Nur der interdisziplinäre Blick sorgt dafür, das beste Vorgehen für den Patienten zu finden und ihn bestmöglich zu behandeln. Damit wir dies gewährleisten können vereinen wir in beiden Fachdisziplinen eine umfangreiche Expertise aller aktuellen Behandlungsmethoden unter einem Dach. Hieraus können wir beliebig wählen, kombinieren und ergänzen – immer mit dem Ziel eine individuelle und maßgeschneiderte Behandlung für jeden einzelnen Patienten anbieten zu können.
Veranstaltungshinweis:
Innerhalb der Veranstaltungsreihe „Herzensangelegenheiten“ findet zum Thema Bluthochdruck am Mittwoch, 18. April, ein Vortrag für medizinisch Interessierte am Herzzentrum Dresden Universitätsklinik statt. Oberarzt Privatdozent Dr. Manuel Wilbring erklärt unter dem Motto „Einführung in die Möglichkeiten der modernen Herzchirurgie“ die verschiedenen OP-Methoden am Herzen vor, erläutert deren Vor- und Nachteile und stellt dar, wie ein krankes Herz dank moderner Therapie- und OP-Verfahren wieder gesund gemacht werden kann. Anschließend steht er für Fragen der Besucher zur Verfügung. Los geht es um 16 Uhr im Hörsaal des Herzzentrums, Fetscherstraße 76, 01307 Dresden. Der Eintritt ist frei. Es ist keine Anmeldung erforderlich.