In Deutschland leben heute bis zu 1,5 Millionen Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Dies stellt eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft dar. Demenz muss jedoch nicht unaufhaltsam sein. Frühe Diagnostik und Vorbeugung sind sinnvoll. Dr. med. Alexander Reinshagen, Chefarzt der <link http: www.kliniken-leipziger-land.de leistungsspektrum fachabteilungen klinik-fuer-neurologie.html external-link-new-window external link in new>Klinik für Neurologie, beantwortet wichtige Fragen im Interview.
Was ist Demenz?
Reinshagen: Um einen aktuellen Film zu zitieren, man hat »Honig im Kopf«. Bei Demenz gehen zuerst schleichend das Erinnern, das Denken, später auch die soziale Kompetenz verloren. Neben dem geistigen Zerfall wird das zur Belastung für die Familie.
Hängt die Demenz unmittelbar mit dem Alter zusammen?
Ja, Alter ist der wichtigste Faktor für das Entstehen von Demenz. Bei den über 60-Jährigen sind 5 Prozent, bei den über 80-Jährigen 25, später 50 Prozent der Senioren dement.
Wie sehen die Symptome aus?
Wenn man sich nicht gleich an einen Namen erinnert oder kurzfristig vergisst, wo man den Schlüssel hingelegt hat, spricht das nicht für Demenz. Eher bemerken die Angehörigen Fehlleistungen. Dinge werden an ungewohnte Orte verlegt, andere dafür beschuldigt. Der Betroffene ändert sich in seinem Wesen. Er wird laut, unruhig, gar aggressiv, andere zurückgezogen und desinteressiert, was häufig als Depression missverstanden wird. Demenz meint auch, einfache Worte durch ungewohnte zu ersetzen, in bekannter Umgebung ein vermeintlich neues Haus zu entdecken bis hin zur Verwirrtheit.
Worin liegen die Ursachen?
Bei der Alzheimer-Erkrankung, die zu etwa sechzig Prozent der Demenzen bestimmt, kommt es primär zum Hirnabbau. Bei bis dreißig Prozent der Betroffenen verursachen kleine und große Hirninfarkte die Gedächtnisstörung. Zu selten wird nach dem Vitamin B 12-Spiegel geschaut. Zudem können Nebenwirkungen von Medikamenten das für das Gedächtnis nötige Acetylcholin hemmen. Gerade im Alter ist eine kritische Durchsicht der häufig umfänglichen Medikamentenliste sinnvoll.
Gibt es gar keine Chance gegen diese heimtückische Krankheit?
Doch. Erst einmal müssten zehn Prozent der Betroffenen gar nicht dement werden. Diese gilt es frühzeitig herauszufinden. Nach dem Hausarzt sollte eine Vorstellung beim Neurologen oder Psychiater erfolgen. Wichtig ist, dass wir alle viel aufmerksamer und aufgeklärter bezüglich der ersten Symptome sind. Wir Neurologen sehen die Patienten häufig erst, wenn der Punkt des Nicht-mehr- Aufhalten-könnens, erreicht ist.
Helfen Sport und kreative Tätigkeiten zur Vorbeugung?
Sport und Lebensstil sind Grundpfeiler gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Hirninfarkte im Alter, aber auch, den Hirnabbau zu verringern. Kreative Tätigkeiten, wie Kochen mit neuen Zutaten, sich mit Neuem zu beschäftigen. Das »Gehen neuer Wege‘« ist gerade im Alter wichtig. In unserer Klinik setzen wir auch die X-Box mit Bewegungsspielen und das Wii Balance Board für ältere Patienten ein. Dies habe ich auch in Alten- und Pflegeheimen, beispielsweise das virtuelle Kegeln, empfohlen. Großeltern können so im Familienverbund zum Spielen, Denken und Bewegen animiert werden. Entgegen weitläufiger Annahme ist Kreuzworträtseln nicht hilfreich. Hier werden nur Erinnerungen abgefragt.
Wie sieht die Therapie aus?
Nach der diagnostischen Zuordnung stehen Medikamente bereit, die den Demenzprozess für etwa ein Jahr hinausschieben können. Wichtiger sind aber die Möglichkeiten der kognitiven Stimulation, die in Tageskliniken und spezialisierten Einrichtungen gewährleistet sind. Kognitive Stimulation heißt, neue Wege oder verlorengegangene Wege zu reaktivieren. Wichtig ist: fördern, nicht fordern.