Stundenlanges Umherwälzen, häufiges Aufwachen, schlechte Träume – viele Menschen schliefen schon vor Corona schlecht, seit Pandemiebeginn werden noch einmal mehr Menschen von Schlaflosigkeit gequält. Darauf deuten auch erste Studien hin. Doch warum hat die Schlafqualität abgenommen – und was lässt sich dagegen tun? Diese Fragen beantwortet Dr. Uwe Müller, Kardiologe und Schlafmediziner am Sana Klinikum Borna.
Auch wenn sich die Lage zurzeit deutlich beruhigt: Was macht die Corona-Krise mit unserem Schlaf?
Müller: Viele haben sich mittlerweile mit Corona arrangiert, tagsüber hat man sich an viele Dinge mittlerweile gewohnt. Daher geht für viele Menschen die Corona-Krise erst beim beim Einschlafen los. Ängste und innere Anspannung, Sorgen um die Gesundheit und die Zukunft: Wir wälzen uns im Bett hin und her, statt entspannt einzuschlummern. Und schlafen wir doch irgendwann ein, reißen uns Albträume wieder aus dem Schlaf.
Warum ist das so?
Unser einst gewohntes Leben hat sich seit fast anderthalb Jahren radikal verändert. Das erschwert es, unsere gewohnte Tagesstruktur beizubehalten. Wiederkehrende Verhaltensmuster sind aber ideal für die innere Uhr und damit für einen gesunden Schlaf. Und natürlich drängen nachts Dinge in unser Unterbewusstsein, die wir tagsüber verdrängt oder Beiseite geschoben haben.
Gibt es Kniffe, dieses Gedankenkarussell abzustellen?
In letzter Zeit war es wirklich schwierig abzuschalten. Die Nachrichten mit immer höheren Corona-Zahlen überschlagen sich, ständig gab es neue, belastende Nachrichten. Dabei ist es eminent wichtig, entspannt in‘s Bett zu gehen. Wie man »runterfährt«, muss jeder für sich selbst herausfinden (s. Infokasten). Das kann Yoga sein, das kann ein gutes Buch sein, das kann entspannte Musik sein. Ich empfehle, Handy, Tablett und/oder Laptop eine Stunde vor dem Schlafengehen auszuschalten und schon gar nicht mit ins Schlafzimmer zu nehmen. Schlafen ist aktives Loslassen. Je entspannter wir sind, desto besser, tiefer und glücklicher schlafen wir ein.
Wann wird schlechter Schlaf zum Problem?
Es besteht ein veritabler Unterschied zwischen schlechtem Schlaf und einer Schlafstörung. Dass man ab und an – auch mal über mehrere Tage hinweg – nicht schlafen kann, weil man etwa Stress, Liebeskummer oder andere Sorgen hat, ist normal und auch nicht behandlungsbedürftig. Schwierig wird es, wenn Menschen länger als einen Monat häufiger als dreimal in der Woche Schlafprobleme haben. Das ist extrem zermürbend und macht krank. Nicht umsonst ist Schlafentzug eine effektive Foltermethode.
Gibt es Menschen, die Schlafstörungen eher entwickeln als andere?
Ja. Menschen zum Beispiel, die sehr perfektionistisch oder ängstlich sind. Die können oft abends schlechter abschalten – weil sie in Gedanken schon bei den Aufgaben des Folgetages sind. Auch schwere Konflikte auf Arbeit oder in der Beziehung können Auslöser für Schlafstörungen sein. Und natürlich müssen wir Schlafmediziner körperliche Ursachen ausschließen – nächtliche Atemstörungen, neurologische Erkrankungen oder Erkrankungen der Schilddrüse, um nur einige zu nennen.
Was mache ich bei einer veritablen Schlafstörung?
Dann gehen Sie bitte zum Arzt. Viele warten viel zu lange und nehmen schlechten Schlaf monate- oder sogar jahrelang hin. Erzählen Sie Ihrem Hausarzt von den Schlafstörungen. Gegebenenfalls überweist dieser dann weiter zum Schlafmediziner oder an ein Schlaflabor. Dank neuester Erkenntnisse über das Zusammenwirken der Tag- und Nachtkomponenten kann heute vielen Menschen geholfen werden.
Was passiert im Schlaflabor?
In unserem Schlaflabor nutzen wir die Möglichkeiten der modernen Technik (Kameras, Mikrofone, Elektroden und Computer). Der Patient muss eigentlich nichts tun – außer schlafen. Wenn Sie zu uns kommen, werden Sie von unserem Team empfangen, das mit Ihnen über Ihr Problem sowie über eventuelle weitere Krankheiten spricht. Eventuell sind noch weitere Untersuchungen im Tagesverlauf nötig. Dann bereiten wir Sie für die Nacht vor: Sie gehen in ein Schlaflabor-Bett und werden verkabelt. Das ist gänzlich ungefährlich, tut nicht weh, stört nicht beim Schlafen, ist aber nötig, damit die Aufzeichnungsgeräte mitbekommen, was Sie während der Nacht so alles machen. Am nächsten Morgen werten wir die Aufzeichnungen aus und besprechen mit Ihnen die Befunde.
Fünf Tipps für einen erholsamen Schlaf
- Im Schlafzimmer sollte es nach Möglichkeit dunkel, leise und kühl sein. Die ideale Raumtemperatur liegt zwischen 18 und 22 Grad. Der Arbeitsplatz sollte nach Möglichkeit nicht im Schlafzimmer liegen.
- Führen Sie feste Rituale vor dem Schlafengehen ein, um zur Ruhe zu kommen. Das können z. B. Entspannungstechniken, ein nächtlicher Spaziergang, entspannte Musik, Hörbücher oder Lesen sein. Ein geregelter Tagesrhythmus mit regelmäßigen Mahlzeiten und festen Schlafenszeiten kann ebenfalls dabei helfen, die Qualität des Schlafs zu verbessern.
- Entscheiden Sie sich bewusst dazu »herunterzufahren« und planen Sie zirka 45 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen ein, um zur Ruhe zu kommen. In dieser Zeit sollten Sie alle Bildschirme ausschalten und -lassen. Ein heißes Bad oder eine heiße Dusche in dieser Zeit kann auch beim Einschlafen helfen – denn: das anschließende Absinken der Körpertemperatur ist ein Einschlafsignal an den Körper.
- Ausreichend Bewegung am Tag kann zu einem erholsameren Schlaf in der Nacht beitragen. Sport sollte jedoch nicht zu spät gemacht werden, damit der Körper ausreichend Zeit zur Regeneration hat.
- Abends sollten Sie nicht zu viel und zu schwer essen, sonst könnte die Verdauung den Schlaf stören. Auch Alkohol kann sich negativ auf den Schlaf auswirken.