Borna

Blasenstörungen bei Multipler Sklerose: Dr. med. David Boeckler im Interview

»Linderung ist immer möglich«

Die Multiple Sklerose ist eine neurologische Erkrankung, die oft mit Blasenstörungen einhergeht. Wann treten diese auf? Wie werden sie behandelt? Und welche Chance auf Heilung besteht? Ein Interview mit dem Neurologen Dr. med. Davie Boeckler, Oberarzt am <link http: www.kliniken-leipziger-land.de leistungsspektrum kompetenzzentren zertifiziertes-beckenboden-kontinenzzentrum.html external-link-new-window external link in new>zertifizierten Sana Beckenboden-Kontinenzzentrum Leipziger Land.

Welche Form von Blasenstörungen gibt es bei MS?
Boeckler: Im Grunde nur die überaktive Blase. Symptome sind vermehrter nächtlicher Harndrang oder das häufige Entleeren kleiner Harnmengen. Patienten beschreiben auch ständigen Harndrang mit und ohne Urin-Abgang. Wer Lähmungserscheinungen hat, schafft es dann nicht mehr auf Toilette. Gefährlich wird es, wenn Entzündungsherde im Rückenmark sitzen. Das Zusammenspiel von An- und Entspannung zwischen Blase und Schließmuskel, das beim Wasserlassen notwendig ist, funktioniert nicht mehr. Der Druck wird größer, der Urin steigt nach oben, schädigt die Niere und kann zur Dialysepflicht führen.

Wann treten die Blasenprobleme auf?
Am Anfang selten. Im fortgeschrittenen Stadium leiden über 80 Prozent darunter. Wobei Blasenstörungen oft ein vernachlässigtes Problem sind. Dabei greifen sie in alle Bereiche des sozialen Lebens ein, besonders bei jungen, sexuell aktiven Patienten auch in die Partnerschaft.

Wie sieht die Behandlung aus?
Sind die Probleme noch nicht ausgeprägt, werden einfache Mittel eingesetzt. Medikamente und Nahrungsmittel, wie Cranberrysaft, die den Urin ansäuern und einen Schutz vor Infektionen aufbauen. Auch Krankengymnastik und Entspannungsübungen helfen, ein Gefühl für den Beckenboden und die Blase zu bekommen. Der nächste Schritt sind Medikamente, die den Druck verringern. Sie werden als Tabletten verabreicht oder per Katheder in die Blase eingebracht. Mittels elektromagnetischer Wellen werden dann die Zellen stimuliert. Bei einer sehr überaktiven Blase kann Botox gespritzt werden, was zu einer leichten Lähmung und so zur Entspannung führt. Die Wirkung hält bis zu einem halben Jahr an.

Wie stehen die Heilungschancen?
Das ist unterschiedlich. Linderung und damit eine Erhöhung der Lebensqualität ist aber immer möglich. Kommt es ständig zu Infekten, weil die Blase nicht vollständig geleert wird, kann zum Beispiel ein Einmalkatheder eingesetzt werden. Die Patienten werden bei uns geschult, so dass sie das zu Hause selbst machen können. Der erste Schritt ist immer, Probleme frühzeitig anzusprechen und sich aktiv Hilfe zu holen.

Kann man vorbeugen?
Das Wichtigste ist, die MS gut zu behandeln. Durch den medizinischen Fortschritt ist die Krankheit heute besser beherrschbar und mit weniger Behinderungen verbunden. Die Patienten können aber auch mit einer aktiven Lebensweise selbst beitragen. Dazu gehört beispielsweise, Übergewicht zu vermeiden.
 
Wie viele Patienten betreuen Sie?
Stationär etwa 80 bis 100 pro Jahr. Die meisten Patienten werden ambulant in unserem Beckenboden-Kontinenzzentrum betreut. Unser Einzugsgebiet reicht bis Sachsen-Anhalt und Thüringen.