Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland und ist unbehandelt lebensgefährlich. Früh erkannt, stehen die Heilungschancen jedoch sehr gut, mit einer Operation kann der Darmtumor entfernt werden. Das geschieht in der Regel minimalinvasiv oder roboter-assistiert. Die beiden Bornaer Chirurgen Dr. Andreas Metzig und Jan Schöche erklären, wie genau das funktioniert.
Wie viele Menschen erkranken an Darmkrebs?
Metzig: In Deutschland gehört der Darmkrebs zu den 3 häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen und Männern. Nach Angaben des Robert Koch Instituts erkranken pro Jahr in Deutschland rund 33.000 Männer und 28.000 Frauen an Darmkrebs. In den letzten 10 Jahren ist die Sterblichkeit dieser Krebserkrankung zwar um 20 % gesunken, allerdings stellt der Darmkrebs weiterhin mit rund 7 % eine der häufigsten krebsbedingten Todesursachen dar.
Wie wird eine Darmkrebserkrankung behandelt?
Schöche: Bei gesicherter Diagnose »Darmkrebs« ist nach wie vor die operative Entfernung des betroffenen Darmabschnittes nötig. Umso früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf dauerhafte Heilung. Allerdings gibt es auch für fortgeschrittene Stadien der Erkrankung zunehmend erfolgversprechende Therapieoptionen. Ob die alleinige radikale Tumoroperation am Darm ausreichend ist oder ob weitere Therapiesäulen wie Chemo-, Immuntherapie oder Bestrahlung notwendig werden muss für jeden Patienten individuell und nach streng vorgegebenen Richtlinien in den jeweiligen interdisziplinären Tumorkonferenzen festgelegt werden.
Was ist das Ziel der Operation?
Metzig: Das Ziel der Operation ist die Heilung. Bei der Darmkrebsoperation wird der betroffene Abschnitt des Darmes zusammen mit den versorgenden Blutgefäßen und dem dazugehörigen Lymphgewebe radikal entfernt. Nur so können deutliche Rückfälle – sog. Lokalrezidive - des Tumors vermieden werden. Im Anschluss erfolgt die Rekonstruktion der Kontinuität des Darmes durch spezielle Nahttechniken.
Wie operieren Sie?
Schöche: Fast immer sind derartige Operationen minimalinvasiv möglich. Seit vielen Jahren erfolgen die Darmkrebsoperationen bei uns in der sogenannten Schlüssellochtechnik, bei der auf große Bauchschnitte komplett verzichtet wird. Unser zertifiziertes Zentrum für Minimalinvasive Chirurgie ist mehrfach von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie rezertifiziert. Der Zugang zum Bauchraum erfolgt über Stiche und kleinste Schnitte. Der Operateur führt die Operation mit speziellen Instrumenten unter 3D-Sicht aus. Die notwendige Radikalität der Operation wird durch diese Technik selbstverständlich gewährleistet.
Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Metzig: Seit 2021 können wir hier am Klinikstandort für unsere Darmkrebspatienten die roboterassistierte Chirurgie mit dem modernsten daVinci XI- System anbieten. Das daVinci- Chirurgiesystem besteht aus mehreren Komponenten und wird von speziell dafür ausgebildeten Chirurgen an der ergonomischen Arztkonsole gesteuert. Die Handbewegungen des Operateurs werden hochpräzise an die Spezialinstrumente mit mehr Freiheitsgraden als die menschliche Hand es ermöglicht übertragen. Der Roboter skaliert, infiltriert und übersetzt sozusagen die Bewegungen der Hand des Chirurgen an der Konsole in die Bewegungen der minimalinvasiven Instrumente am Patienten. Zudem garantiert die hochauflösende dreidimensionale Darstellung exzellente Sicht auch auf feinste Strukturen innerhalb des Körpers. Bisher wurden ca. 150 Patienten in unserem Zentrum für minimalinvasive Chirurgie mit dem „daVinci“ operiert. 65 % davon wegen Krebserkrankungen.
Was ist der Vorteil des daVinci Systems?
Schöche: Auch für in der minimalinvasiven Chirurgie erfahrene Operateure ermöglicht der daVinci- Operationsroboter völlig neue Möglichkeiten. Die minimalinvasiven Instrumente bieten 7 Freiheitsgrade in ihrer Beweglichkeit und ermöglichen eine Rotation der Instrumentenspitze um 540 Grad. Das kann keine menschliche Hand. In Kombination mit der 10-fachen optischen und 4-fachen digitalen Vergrößerung der 3D HD- Optik - bei der keine spezielle Brille getragen werden muss - entstehen völlig neue Möglichkeiten in der minimalinvasiven Chirurgie. Durch die automatischen Drehpunkte an allen Roboterarmen werden für die Patientin die Schmerzen deutlich reduziert.
Arbeitet der Roboter selbstständig?
Metzig: Keine Sorge, die Patienten werden vom Chirurgen und nicht vom Roboter operiert. daVinci selbst kann keine eigenständigen Bewegungen ausführen. Die natürlichen Bewegungen der Hand des Operateurs werden durch den Operationsroboter nicht nur unterstützt sondern auch deutlich verbessert. In dem System sind unzählige Kontrollmechanismen verbaut, die der Sicherheit des Patienten dienen. So erfolgen beispielsweise mehr als 1300 fortlaufendes Systemprüfungen pro Sekunde. Instrumentenwechsel werden geführt und etwaige Systemstörungen automatisch gemeldet. Dies trifft auch für unbeabsichtigte Instrumentenbewegungen zu. Alters erhöht die Sicherheit für den Patienten während der Operation ganz erheblich.
Darf jeder Arzt mit dem daVinci operieren?
Schöche: In unserer Klinik operieren nur speziell am daVinci Xi- System ausgebildete Chirurgen. Diese strukturierte Ausbildung ist aus unserer Überzeugung zwingend notwendig, um dieses System sicher zu beherrschen und um alle Vorteile für den Patienten auszunutzen. Zu dieser Ausbildung gehören unter anderem umfassende und anspruchsvolle Simulationstrainings, Technologieschulungen, Kurse, Tests und natürlich Prüfungen. Dies trifft für das gesamte Operationsteam zu.
Können sie immer minimalinvasiv oder mithilfe des Roboters operieren?
Metzig: Wir planen für jeden Patienten individuell das für ihn beste Operationsverfahren. Nur so können wir den für den Patienten besten Heilungserfolg garantieren. Wann immer möglich, wird die Operation minimalinvasiv durchgeführt. Das gilt insbesondere auch für unsere Darmkrebspatienten. Im Bundesvergleich liegen wir diesbezüglich sehr deutlich über dem Durchschnitt. Gerade die Patienten, die früher nur sehr schwierig minimalinvasiv zu operieren waren, können heute vom daVinci-Operationsroboter profitieren.
Sie hatten es anfangs schon kurz erwähnt: Wie wichtig ist Vorsorge, um Darmkrebs zu verhindern?
Schöche: Darmkrebs ist eine Erkrankung, die man sehr gut mit Früherkennungsmaßnahmen erkennen oder sogar vermeiden kann. Beispielsweise können bei der Darmspiegelung (Koloskopie) Polypen als mögliche Krebsvorstufen entfernt werden. Weil Darmkrebs ab dem 50. Lebensjahr vermehrt auftritt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit von Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen geschaffen. Dazu zählen der Stuhltest auf verstecktes Blut im Stuhl und die Darmspiegelung.
»Ich war schon nach drei Wochen das erste Mal wieder Motorradfahren...«
René Kluge ist einer der Darmkrebs-Patienten, die in Borna mit Unterstützung des OP-Roboters operiert wurden. Welche chirurgischen Möglichkeiten daVinci eröffnet, zeigt seine Geschichte.
Mehr dazu lesen Sie in unserem Gesundheitsblog unter https://www.gesundleben-leipzigerland.de/artikel/operationsroboter-hilft-bei-minimalinvasiven-chirurgie-im-leipziger-land/