Interview mit Dr. med. Thomas Sonnenberg, Chefarzt der Klinik für Adipositas und metabolische Chirurgie
Bariatrische Eingriffe - ein Überblick
Wie haben sich bariatrische Eingriff von früher bis heute weiterentwickelt?
Dr. Sonnenberg: In den letzten Jahres hat sich einiges getan. Adipositaschirurgie ist inzwischen weltweit akzeptiert. Mit den Diabetesfachgesellschaften wurden Leitlinien für die operative Behandlung des Diabetes mellitus festgelegt. Früher wurden Dünndarmverkürzungen vorgenommen, nach denen die aufgenommene Nahrung nicht verwertet, sondern wieder gänzlich ausgeschieden wurde. Das Magenband als historisches, rein mechanisches Verfahren, wie ein Gürtel um den Magen des Patienten, wird heute nicht mehr durchgeführt. Die heutigen Eingriffe am Magen führen dazu, dass die Betroffenen weniger Nahrung aufnehmen, weil ihr Sättigungsgefühl erhöht und die Kalorienaufnahme nach der Operation verringert ist.
Wie unterscheiden sich die verschiedenen bariatrischen Eingriffe Schlauchmagen und Magenbypass voneinander?
Dr. Sonnenberg: Die heutigen Verfahren haben eine komplexe Wirkung auf die Sättigungssteuerung und Nahrungsverwertung, wodurch ein langfristiger Effekt auf die Adipositas- und Metabolische Krankheit erreicht wird. Bei einer Schlauchmagen- wie auch den Magenbypassoperationen werden u.a. Hormone freigesetzt, die ein schnelles Sättigungsgefühl auslösen. Bei der Schlauchmagenoperation wird ein großer Teil des Magenvolumens entfernt. Bei einer Magenbypassoperation wird der Magen in eine kleine Magentasche für die Aufnahme der Nahrung und den Restmagen geteilt. Die Magentasche wird mit dem Dünndarm verbunden, so dass die Nahrung unter Umgehung des Duodenum und oberen Jejunum direkt dorthin gelangt. Die Verarbeitung der Nahrung wird verändert, hormonell wird ein schnelles Sättigungsgefühl erreicht. Die operierten Patienten vermeiden zudem stark zucker- und fetthaltige Nahrungsmittel. Diese Effekte sind für eine langfristige Gewichtsreduktion verantwortlich. Es werden heute mehrere Variationen des Magenbypass erfolgreich durchgeführt.
Welche Patienten sind für welchen Eingriff geeignet?
Dr. Sonnenberg: Die Schlauchmagenoperation wird weltweit noch am häufigsten durchgeführt. Sie ist für alle Adipösen ohne schwere Stoffwechselerkrankungen oder starkes Sodbrennen geeignet. Für Patienten mit schweren Stoffwechselerkrankungen, insbesondere einen Diabetes mellitus Typ 2, kommt ein Magenbypass infrage. Magenbänder machen heute nur noch einen sehr kleinen Teil der Eingriffe aus. Sie kommen u.a. als ergänzende Maßnahme zur Gewichtsreduktion bei leicht adipösen Patienten oder zur Steigerung des Effektes nach einem Magenbypass infrage.
Wie werden die Patienten auf den operativen Eingriff vorbereitet?
Dr. Sonnenberg: Vor dem Eingriff nehmen die Patienten an unserem Sana XL-Programm teil. Es besteht in der Änderung bisheriger Verhaltensmuster durch Ernährungs-, Bewegungstherapie sowie einer psycho-
logischen Begutachtung. Patienten mit einem Body-Mass-Index von 40 bis 50 durchlaufen i.d.R. das gesamte 6-Monats-Programm. Bei Patienten mit einem BMI über 50 oder einem BMI 40 mit Diabetes mellitus Typ 2 besteht eine Primärindikation zur Operation. In diesen Fällen erfolgt nach Ausschluss von Kontraindikationen eine postoperative Phase. Diese Eiweißphase führt zur Gewichtsreduktion, insbesondere Leberverkleinerung. Das ist wichtig, weil der Eingriff einen gewissen Spielraum im Bauch erfordert.
Wie geht es Patienten nach dem Eingriff?
Dr. Sonnenberg: Unmittelbar nach der Operation beginnen wir mit dem stufenförmigen Kostaufbau. Es erfolgt eine erneute Ernährungsberatung über den Kostaufbau, die erforderliche Ernährungsanpassung und Supplementation von Vitaminen und Spurenelementen. Die Patienten lernen in den ersten Wochen einzuschätzen, welche Nahrungsmengen sie nach der Operation aufnehmen können. Der allmähliche Kostaufbau erfolgt dann in zweiwöchentlichen Etappen.
Was sollten Patienten nach dem Eingriff beachten, um langfristig eine Gewichtsreduktion zu erfahren?
Dr. Sonnenberg: Vom Erstgespräch bis zur Nachsorge bauen wir mit den Patienten ein Bewusstsein dafür auf, dass die Operation ein gutes Hilfsmittel, aber nicht allein entscheidend für den Therapieerfolg ist. Eine angepasste Ernährung und
ausreichend körperliche Aktivität sind für den langfristigen Erfolg unumgänglich.
Wie oft sehen Sie die Patienten nach den Eingriffen?
Dr. Sonnenberg: Die Nachsorge ist essentiell für ein langfristig gutes Ergebnis nach einer bariatrischen OP. Sie erfolgt nach einem festen Ablaufschema. Um den Zustand und die Entwicklung der Patienten zu verfolgen, kommen sie sechs Wochen nach der Operation das erste Mal in die Sprechstunde, danach im ersten Jahr alle drei Monate, im zweiten Jahr halbjährlich und schließlich einmal im Jahr. Auch die Notwendigkeit für eine Straffungsoperation bei starken Hautüberschüssen wird besprochen. Sie kommt nach einem Zeitraum von etwa zwei Jahren in Betracht, wenn sich das Gewicht stabilisiert und die Haut bestmöglich elastisch angepasst hat.
Dr. med Thomas Sonnenberg
Chefarzt der Klinik für Adipositas und metabolische Chirurgie
thomas.sonnenberg@sana.de