Gibt es Grund zur Hoffnung für Frauen mit Lipödem?
Beine und Arme sehr voluminös, Körpermitte, Hände und Füße schlank: das kennzeichnet das Lipödem. Fast nur Frauen sind betroffen. Dr. med. Katrin Seidenstücker, Leiterin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie II am Sana Krankenhaus Benrath, gibt Auskunft über neue Therapieansätze.
Ein Lipödem betrifft fast ausnahmslos Frauen. Hauptkennzeichen ist, dass der Oberkörper extrem schlank bleibt, während die Beine disproportional dick werden. Später kommen noch Schmerzen und Wassereinlagerungen hinzu und die Betroffenen neigen dazu, sehr schnell blaue Flecken auf nur leichte Berührung zu entwickeln.
Welche krankhaften Prozesse das Lipödem auslösen, ist nicht vollständig geklärt. Da man familiäre Häufung beobachtet, kann eine genetische Disposition einen Einfluss haben. Zudem muss ein hormoneller Einfluss bestehen, da die Krankheit mit dem Einsetzen von hormonellen Veränderungen bei Frauen auftritt bzw. sich verschlimmert (Pubertät, Schwangerschaft und Menopause).
Die mit dem Lipödem vergesellschafteten Wassereinlagerungen im Gewebe werden durch eine Komprimierung des venösen und lymphatischen Abflusses durch die Fettgewebsvermehrung bedingt. Die großen Lymphgefäße sind zunächst nicht betroffen. In feingeweblichen Untersuchungen zeigt sich immer wieder eine Mikroangiopathie. Bei Lipödempatienten sind die Kapillaren durchlässiger für Proteine, was wiederum einen erhöhten Flüssigkeitseinstrom bedingt. Diese Störung der kleinen Gefäße bedingt auch die verstärkte Hämatomneigung.
Ein neuer wissenschaftlicher Artikel (Journal of Obesity; March 2019 SA Ghadban et al. „Dilated Blood and Lymphatic Microvessels, Angiogenesis, Increased Macrophages, and Adipocyte Hypertrophy in Lipedema Thigh Skin and Fat Tissue“) beschreibt, dass sich dilatierte, erweiterte Kapillaren und neugebildete Blutgefäße im Lipödemgewebe zeigen, ohne dass sich Lymphkapillaren in gleicher Form neu bilden. Dies führt dazu, dass mehr Blutplasma ins Gewebe fließt, aber das Gewebe durch das Ungleichgewicht an Einstrombahnen (Angioneogenese nimmt zu) und Ausstrombahnen (fehlende Lymphangioneogenese) nicht in der Lage ist, diese Flüssigkeit abzutransportieren.
Die Lymphgefäße sind im frühen Stadium der Erkrankung intakt. Die Zunahme der anfallenden lymphatischen Last (Flüssigkeit und Proteine) wird im weiteren Verlauf jedoch zu groß, so dass das System kollabiert und ein eiweißreiches Lymphödem dazukommt. Darüber hinaus wird diskutiert, dass eine Entzündungskaskade und eine abnorme sympathische Innervation des vermehrten Fettgewebes für die beklagten Schmerzen verantwortlich sind.
Bevor die Diagnose gesichert wird, haben die meisten Betroffenen eine jahrelange Diätkarriere hinter sich, bis hin zur Ess-störung. „Bis zu drei Millionen Frauen mit krankhaften Fettverteilungsstörungen leiden täglich darunter, dass die Krankenkassen ihre Therapie nach einem Gerichtsurteil nicht bezahlen. Ihnen wollen wir schnell und unbürokratisch helfen“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Im Januar 2018 teilte auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit, dass die Eckdaten für eine Studie zur Erprobung der Liposuktion bei Lipödem in Berlin beschlossen wurden. Der G-BA legt in Deutschland den Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken-versicherung fest. Die „Lipödemstudie“ soll wissenschaftlich überprüfen, welche Vor- und Nachteile die Liposuktion aufweist und ob die operative Therapie des Lipödems künftig von Krankenversicherungen übernommen werden soll.
Im Rahmen der Studie soll die Liposuktion mit dem konservativen Therapieregime mit physio-therapeutischer Lymphdrainage und Kompressions-Bestrumpfung verglichen werden. Hierzu wird ein randomisiertes, kontrolliertes Studienmodell angewandt, was bedeutet, dass die Betroffenen nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt werden. Die eine Gruppe wird mit der Liposuktion behandelt, die Kontrollgruppe erhält eine konservative Therapie. Im An-schluss soll auch den Teilnehmerinnen der konservativen Kontrollgruppe die Liposuktion angeboten werden.
Durch unseren Schwerpunkt der rekonstruktiven Lymphchirurgie behandeln wir viele Patienten mit Lipödem in unserer Plastischen Chirurgie II in Benrath. Aktuell handelt es sich meist um Selbstzahler, die wir in 2-4 Operationen per Liposuktion therapieren. Wir verwenden die gewebeschonende wasserstrahl-assoziierte Liposuktion.
Meist führen wir den Eingriff stationär durch, da es sich bei Lipödem-Betroffenen um Megaliposuktionen handelt und eine ambulante Durchführung zu riskant wäre. Wichtig ist es, soviel wie möglich von dem krankhaft veränderten Fettgewebe per Liposuktion zu entfernen, ohne den Patienten zu gefährden. Da aktuell nur in Einzelfällen eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen vorliegt, bieten wir die Operation selbstverständlich als Kassenleistung an und rechnen nach DRG ab.
Dr. med. Katrin Seidenstücker
Leitende Ärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie II
Tel.: 0211 2800 1990
katrin.seidenstücker@sana.de
4. Lymphtag - Ein voller Erfolg
Der Verein zur Förderung der Lymphödemtherapie e.V. hat auch in diesem Jahr deutschlandweit zum Deutschen Lymphtag eingeladen. Dieser Einladung folgten viele Interessierte am 16. März in Düsseldorf. Unter der wissenschaftlichen Leitung der Frauenklinik der Universitätsklinik Düsseldorf und der Plastischen Chirurgie des Sana Krankenhauses Benrath konnten sich Betroffene und deren Angehörige, Krankenversicherungen sowie interessierte Menschen über das chronische Lymph- und Lipödem sowie die entsprechenden Therapiemöglichkeiten informieren. Neben namhaften Referenten gab es eine Fachausstellung, eine Modenschau sowie einen Überblick über den Bereich Lymphsport. Eine Expertendiskussion über die rechtliche Lage einer möglichen Kostenübernahme einer operativen Therapie des Lipödems rundete die Veranstaltung ab.
„Die konservative Therapie für beide Erkrankungen erfordert viel Geduld, Disziplin und Durchhaltevermögen und hilft nicht allen Betroffenen ausreichend“, sagt Dr. med. Katrin Seidenstücker, leitende Ärztin am Sana Krankenhaus Benrath. Hier hat sich seit Anfang 2016 ein Expertenteam gebildet, das Lip- und Lymphpatienten sach- und fachgerecht operativ therapiert.
Die Klinik für Plastische Chirurgie II am Sana Krankenhaus Benrath hat sich zum überregionalen Zentrum für Lymphchirurgie entwickelt. Dr. med. Katrin Seidenstücker ist leitende Ärztin, sie hat das europäische Zentrum für Lymphchirurgie gegründet.