Cham, 09. Februar 2018. Wie bei einem Gewitter entladen sich bei epileptischen Anfällen im Gehirn der Erkrankten elektrische Spannungen, wobei die geordnete Welt der Neuronen blitzartig durcheinander gebracht wird. Es werden unnormal viele Nervenzellen synchron aktiv und erregen damit „falsch“ das ganze oder zumindest Teile des Gehirns. Von Epilepsie wird gesprochen, wenn sich solche Anfälle ohne erkennbaren Grund wiederholen. Etwa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung leidet weltweit unter Epilepsie. Anlässlich des Internationalen Tages der Epilepsie am 12. Februar informiert Prof. Dr. Frank Weber, Chefarzt der Abteilung für Neurologie der Sana Kliniken des Landkreises Cham, über die Ursachen und Therapiemöglichkeiten.
Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. Rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. Die Betroffenen sind leider noch immer starken Vorbehalten ausgesetzt: Für viele gelten die Anfälle nach wie vor als Form von Geisteskrankheit. „Zu Unrecht!“, betont Prof. Dr. Weber. Denn Epilepsie sei lediglich ein Sammelbegriff für sehr unterschiedlich verlaufender Erkrankungen mit epileptischen Anfällen und nach eingehender Diagnostik gut behandelbar.
In der Medizin unterscheidet man zahlreiche Epilepsieformen, die entweder symptomatisch (organisch) oder genetisch bedingt sind, wobei auch idiopathische Formen vorkommen. Organisch können die Anfälle zum Beispiel durch Krankheiten wie Schädel-Hirn-Verletzungen, Gefäßmissbildungen, Stoffwechsel- oder Durchblutungsstörungen verursacht sein. „Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Therapie ist die richtige Diagnose“, so Prof. Dr. Weber. „Denn erst einmal muss geklärt werden, ob es sich tatsächlich um epileptische Anfälle oder beispielsweise um Herz-Kreislaufreaktionen oder komplizierte Migräneformen handelt.“ Wird eine Epilepsie erkannt, ist das vorrangige Ziel, dass die oder der Betroffene anfallsfrei wird – möglichst ohne Einschränkungen für die weitere Lebensführung.
Bei der Diagnostik spielen mehrere Faktoren eine Rolle. „Anfangs sind wir auf die genauen Beschreibungen der Personen angewiesen, die den Anfall beobachtet haben. Dadurch können wir eine Epilepsie häufig schon von anderen Erkrankungen abgrenzen“, sagt Prof. Dr. Weber. „Als nächster Schritt kommen Hirnstrommessungen (EEG) am Sana Krankenhaus Cham zum Einsatz, mit deren Hilfe die Diagnose dann eingegrenzt werden kann.“
Ist die Art der Epilepsie genauer bestimmt, kommen in erster Linie Medikamente zum Einsatz, um weitere Anfälle zu unterdrücken und gegebenenfalls die organischen Ursachen zu behandeln. „Hier hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Es gibt heute weit mehr und auch verträglichere Medikamente als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, meint Prof. Dr. Weber. Anfallsfreiheit kann oft schnell und dauerhaft erreicht werden.
Bei besonders schweren Formen der Epilepsie arbeitet die Abteilung für Neurologie im Sana Krankenhaus Cham eng mit dem Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Regensburg zusammen. Diagnose und Therapie machen zudem nur einen Teil der Behandlung aus. „Es ist darüber hinaus wichtig, dass wir die Angehörigen und das soziale Umfeld dabei unterstützen, mit der Krankheit umzugehen", betont Prof. Dr. Weber. Es gelte, ein besseres Verständnis für die Krankheit schaffen, so dass jeder Betroffene die Chance erhält, weitgehend uneingeschränkt am Leben teilzuhaben.
Der Internationale Tag der Epilepsie (epilepsy.org) wurde 2011 von der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) und dem Internationalen Büro für Epilepsie (IBE) ins Leben gerufen. Die Organisatoren wollen mit dem Aktionstag gegen die Diskriminierung Erkrankter sowie deren Ungleichbehandlung in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz vorgehen.