Cham, 10. Mai 2019. Jeder dritte Schlaganfall mit Schwindelsymptomen wird bislang nicht erkannt. Zudem leidet jeder dritte Deutsche im Laufe seines Lebens einmal an der Volkskrankheit Schwindel. Davon erhält aber wiederum nur jeder Dritte auf Anhieb eine gesicherte Diagnose und damit eine schnelle Behandlung. Um beides zu verbessern, nehmen die Sana Kliniken des Landkreises Cham am neuen telemedizinischen Projekt „TeleSchwindelTriage“ der München Klinik Harlaching teil: Schwindelpatienten der Kliniken erhalten ihre Diagnose künftig per Videobrille und Live-Schaltung von Experten in den telemedizinischen Zentren in Harlaching, Regensburg und Altötting. Das Projekt wird vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert; Anfang Mai überreichte Staatsministerin Melanie Huml den symbolischen Scheck über 252.000 Euro.
„Durch die telemedizinisch unterstützte Diagnostik kann die Versorgung unserer Patienten mit akut aufgetretenem Schwindel optimiert werden“, erklärt Prof. Dr. Frank Weber, Chefarzt für Neurologie an den Sana Kliniken des Landkreises Cham. Er verantwortet die lokale Umsetzung des Projekts im Chamer Krankenhaus. „Das Projekt fördert den Einsatz einer zielgerichteten Therapie und steigert so auch die Patientenzufriedenheit.“
Seit 2003 und damit als Mitglied der ersten Stunde sind die Kliniken im Landkreis Cham bereits Partner im telemedizinischen Schlaganfallnetzwerk „TEMPiS“ der München Klinik Harlaching und übernehmen damit Verantwortung für die Schlaganfallversorgung in der Region. Das Ziel ist dabei, Patienten in der Stadt und auf dem Land ortsunabhängig schnelle Expertenhilfe zukommen zu lassen, denn nach einem Schlaganfall sterben ohne Behandlung pro Minute 1,9 Millionen Nervenzellen ab. Mit dem Förderprojekt „TeleSchwindelTriage“ wird TEMPiS jetzt um den Bereich Schwindel erweitert. Wenn Schwindel das einzige Symptom eines Schlaganfalls ist, so ließ sich dieser bisher nur schwer diagnostizieren. Durch das telemedizinische Projekt sollen Schwindelpatienten in der Region Südostbayern künftig schneller die richtige Therapie erhalten.
Patienten werden jetzt an den Kliniken mit hochmoderner Videobrille diagnostiziert
Vor einem Jahr startete die Vorbereitungsphase für das Projekt TeleSchwindel. Das Team um Chefarzt Prof. Dr. Frank Weber von der Abteilung für Neurologie der Sana Kliniken des Landkreises Cham wird nun von den Harlachinger Neurologen in der Schwindeldiagnostik geschult und eine Videobrille erhalten. Damit werden alle Voraussetzungen für den Projektstart im laufenden Betrieb erfüllt. Die Brillen sind hochmoderne Diagnosegeräte, die rund 15.000 Euro kosten. Bei Patienten mit Schwindelsymptomen können mithilfe der Brille subtile Augenbewegungsstörungen sichtbar gemacht werden, die für die richtige Diagnose oft entscheidend sind. Die Videobrille ist an eine mobile Telemedizinstation angeschlossen, über die die „Live-Schaltung“ aus den Sana Kliniken des Landkreises Cham in das Schwindelzentrum stattfindet. So kann der Schwindelexperte im Zentrum die Untersuchung anleiten, die gemessenen Daten direkt nachvollziehen und aus der Ferne die richtige Diagnose stellen. Bei geschätzt 800 der jährlich 7.000 im TEMPiS-Netzwerk durchgeführten Telekonsile wird die Brille erwartungsgemäß im Einsatz sein.
„Schwindel ist eines der häufigsten Symptome und tritt bei verschiedensten Krankheitsbildern auf. Deshalb ist die Diagnose so schwierig und oft nur in spezialisierten Zentren möglich. Es freut mich sehr, dass wir nun per Telemedizin die Möglichkeit haben, diese Expertise in die Fläche zu tragen. Patienten im ländlichen Südostbayern können wir damit eine schnellere Diagnostik und bessere Versorgung anbieten“, freut sich Projektleiter Dr. Peter Müller-Barna von der München Klinik Harlaching. Das Projekt hat zunächst eine Laufzeit von 2,5 Jahren, Projektträger ist die München Klinik Harlaching. Beteiligt sind 19 TEMPiS-Partnerkliniken, die Schlaganfallzentren München Klinik Harlaching und Universitätsneurologie Regensburg sowie die Schwindelzentren München Klinik Harlaching und Kreisklinik Altötting. Das Projekt wird vom Bayerischen Gesundheitsministerium und der Deutschen Stiftung Neurologie finanziell gefördert.
Wenn sich alles dreht und schwankt: Das herausfordernde Symptom Schwindel
Fast jeder Mensch kennt Schwindelgefühle. Neben Kopfschmerzen ist Schwindel eines der häufigsten auftretenden neurologischen Symptome. Manchmal wird es völlig gesunden Menschen schwindlig. Der Schwindel kann aber auch ein Anzeichen für eine schwerwiegende neurologische Erkrankung sein. Plötzlich auftretender Schwindel ist eine häufige Begleiterscheinung beim Schlaganfall, daneben können weitere Anzeichen, wie die typische Halbseitenlähmung, auch ausbleiben. Deswegen muss bei akut aufgetretenem Schwindel auch ein Schlaganfall als Ursache in Erwägung gezogen werden. Neben dem Schlaganfall verbergen sich häufig andere neurologische Erkrankungen oder Störungen im Innenohr hinter akut auftretendem Schwindel. Wenn der Schwindel bei Änderung der Kopfposition auftritt, kann es sich auch um einen Lagerungsschwindel handeln, der durch abgelöste Kristalle im Innenohr entsteht. Betroffene sollten zum Arzt gehen, wenn der Schwindel ohne Anlass neu auftritt, sie häufiger Schwindelattacken erleben, ihnen bei bestimmten Bewegungen schwindlig wird, der Schwindel länger anhält oder zusätzliche Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Hörstörungen hinzukommen.
Weitere Informationen zum Telemedizinischen Schlaganfallnetzwerk TEMPiS
TEMPiS (Telemedizinisches Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung in der Region Süd-Ost-Bayern) gehört seit 2003 mit 23 angebundenen Kliniken, zwei Telemedizinzentren in Harlaching und Regensburg und mehr als 10.000 Patienten pro Jahr zu den größten Netzwerken seiner Art in Europa. Die Kliniken im Landkreis Cham sind seit 2003 Partner des Netzwerks und werden bei der neurologischen Untersuchung, der bildgebenden Diagnostik und der Therapieentscheidung von ausgewiesenen Schlaganfallspezialisten in den Zentren telemedizinisch, also per „Video-Liveschaltung“, unterstützt. Mit bis heute über 70.000 durchgeführten Telekonsilen hat sich das Konzept des Netzwerks als Erfolg erwiesen: höhere Versorgungsqualität, geringere Sterblichkeit, kürzere Verweildauer und frühere Diagnose heben den Versorgungsstandard in ländlichen Regionen auf das gleiche Niveau wie in der Stadt.