Um der anhaltenden Zunahme von Antibiotikaresistenzen und der damit verbundenen steigenden Zahl von multiresistenten Krankheitserregern entgegenzuwirken, führt die Sana Kliniken AG regelmäßig interne und von der Landesärztekammer anerkannte Fortbildungsmaßnahmen zum rationalen und effektiven Einsatz von Antibiotika durch. Bei den Sana Kliniken im Landkreis Biberach haben im Rahmen dessen jüngst sieben Fachärzte die Weiterbildung zum antibiotikabeauftragten Arzt abgeschlossen. Der Krankenhaushygieniker Dr. Peter Keith erklärt, warum das Wissen um die richtige Antibiotikagabe so wichtig ist.
Herr Dr. Keith, was ist die Aufgabe der antibiotikabeauftragten Ärzte?
Die Ärzte bilden mit weiteren ABS-Experten das sogenannte Antibiotic Stewardship Team (ABS). Gemeinsam stehen sie ihren ärztlichen Kollegen bereichsübergreifend als Ansprechpartner bei allen Fragen rund um den Einsatz von Antibiotika zur Verfügung – sprich, welche Antibiotika geben wir gezielt wie lange, wann ändern oder reduzieren wir die Verordnung und wie gehen wir mit resistenten Erregern um? Dabei geht es natürlich häufig um komplizierte Fälle, aber auch um routinemäßige Therapien, beispielsweise im Zusammenhang mit Operationen. Das ABS-Team arbeitet dabei eng mit uns, dem Team der Krankenhaushygiene, zusammen. Neben mir besteht dieses aus drei ausgebildeten Hygienefachkräften sowie hygienebeauftragten Ärzten und Pflegekräften. Alle gemeinsam arbeiten wir daran, die Übertragung von Krankheitserregern im Krankenhaus durch umfassende Sicherheitsvorkehrungen und Hygienemaßnahmen konsequent zu verhindern.
Warum ist der geregelte Umgang mit Antibiotika so wichtig?
Antibiotika haben im Laufe ihrer Entwicklung vielen Infektionskrankheiten den Schrecken genommen. Leider wurden sie in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger und undifferenzierter eingesetzt – dabei oftmals auch vorschnell oder unnötig. Bei Erkrankungen, die durch Viren ausgelöst werden, wie etwa die typische Erkältung, sind Antibiotika beispielsweise meistens wirkungslos. Bakterien sind außerdem sehr anpassungsfähig und entwickeln dementsprechend Abwehrmechanismen, wenn sie Antibiotika ausgesetzt sind. Zu häufiger und falscher Antibiotikaeinsatz führt dann zu besagten Resistenzen, unter Umständen sogar gegen viele verschiedene Antibiotika. Die Folge sind sogenannte „multiresistente Erreger“ (MRE). Um die Wirksamkeit von Antibiotika also langfristig erhalten zu können, ist ein zielgerichteter Einsatz und eine Verringerung des Antibiotikaverbrauchs erforderlich. Genau das wird durch unser ABS-Team sichergestellt.
Was ist mit den sogenannten Krankenhauskeimen?
Die Bezeichnung „Krankenhauskeim“ ist ebenso weit verbreitet wie falsch. Kein Keim kommt nur im Krankenhaus vor. Im Alltag begegnen wir ihnen überall. Wir alle tragen unzählige Bakterien in und an uns, das ist normal und manche Bakterien benötigt ein gesunder Mensch auch, wie beispielsweise die Bakterien unserer Darmflora. Auch diese können Multiresistenzen aufweisen, ohne dass der Träger deswegen krank ist. Die allermeisten Keime kommen also mit den Patienten ins Krankenhaus. Während diese für den gesunden Menschen jedoch keine Gefahr darstellen, verhält es sich anders bei gesundheitlich angeschlagenen Menschen. Ist die körpereigene Abwehr geschwächt oder gelangen Keime in eine offene Wunde, kann der Patient daran schwer erkranken. Dabei gilt, je kränker jemand ist, desto geringer die natürliche Schutzbarrieren und desto größer die Gefahr, dass vorhandene Keime zum Problem werden. Kurz gesagt: Keime sind überall, werden sie allerdings ins Krankenhaus gebracht, können sie dort Schaden anrichten.
Wie kann man dem vorbeugen?
Bei uns werden rund 60 Prozent der Patienten während ihres Aufenthaltes einer Screening-Untersuchung auf multiresistente Keime unterzogen; nämlich all diejenigen, die bestimmten Risikogruppen zugeordnet werden können. Dazu gehören beispielsweise Patienten, bei denen schon früher multiresistente Keime festgestellt wurden, oder die schon häufiger im Krankenhaus waren, vielleicht sogar im Ausland, oder auch Landwirte mit Tierhaltung. Auf der Intensivstation als besonderem Risikobereich werden präventiv sogar alle Patienten gescreent. Zur Orientierung: Bundesweit liegt der Durchschnitt für solche Screenings in vergleichbaren Kliniken bei circa 44 Prozent; in Baden-Württemberg bei unter 40 Prozent. Generell ist die Vermeidung der Übertragung von Erregern für uns das oberste Gebot und zentraler Mittelpunkt unserer Arbeit. Dabei spielt die konsequente Einhaltung von Hygieneregeln eine wesentliche Rolle. Unser Hygienemanagement fasst daher alle notwendigen Maßnahmen – von der Händedesinfektion bis zur korrekten Aufbereitung von Instrumenten - in einem Hygienehandbuch zusammen, dessen Inhalte regelmäßig geschult werden.
Aber es stecken sich doch trotzdem immer wieder Patienten an?
Hier muss man klar unterscheiden zwischen der tatsächlichen Übertragung eines Erregers während des Krankenhausaufenthalts und der Feststellung einer bereits bestehenden Besiedelung bei der Untersuchung im Krankenhaus. Wie gesagt, ein nicht unerheblicher Teil der Patienten, die zu uns kommen, trägt bereits resistente Keime in sich. Einer dieser Keime ist beispielsweise MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), den circa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung in der Nase oder auf der Haut tragen. Die stringente Umsetzung unserer Hygienemaßnahmen hat unter anderem aber dazu geführt, dass bei MRSA-Nachweisen in weniger als 5 Prozent der Fälle die Übertragung im Krankenhaus stattgefunden hat - bei den übrigen 95 Prozent war es der Nachweis einer vorbestehenden Besiedelung. Das Risiko, MRSA aus dem Krankenhaus „mit nach Hause zu nehmen“, liegt bei den Sana Kliniken im Landkreis Biberach somit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von rund 7 Prozent.
Was kann ich als Patient, Angehöriger oder Besucher tun, um mich und andere vor Viren und Bakterien zu schützen?
Wir wissen, dass rund 80 Prozent aller Viren und Bakterien über die Hände weitergegeben werden. Daher gilt – je besser die Händehygiene, umso größer ist der Schutz vor Keimen. In unseren Häusern befinden sich deshalb an jedem Eingang, in den Patientenzimmern sowie an vielen weiteren Stellen Desinfektionsmittelspender. Eine gute Händedesinfektion benötigt etwa 30 Sekunden – das reicht schon aus, um wirkungsvoll vor der Übertragung von Keimen zu schützen – und sollte am besten vor dem Betreten und auch beim Verlassen des Patientenzimmers durchgeführt werden. Selbstverständlich sollte auch sein, dass man nicht mit einer dicken Erkältung oder einer akuten Durchfallerkrankung zu Besuch ins Krankenhaus kommt.
Warum reicht Händewaschen nicht aus?
Durch Händewaschen werden die Hände zwar sauber, Krankheitserreger werden jedoch nicht vollständig beseitigt. Dementsprechend reicht Zuhause Händewaschen, im Krankenhaus aber nicht. Bei der richtigen Händedesinfektion sollen zwei bis drei Hübe aus dem Spender vollständig auf den Fingern und Handflächen verrieben werden, dabei Nagelfalze und Fingerzwischenräume nicht vergessen.
Sauberkeit und Hygiene – gibt es da eigentlich einen Unterschied?
Den gibt es! Sauberkeit ist im Krankenhaus nur ein kleiner Teil der Hygiene, auch wenn im häuslichen Umfeld beide Begriffe gerne gleichgesetzt werden. Hygiene ist mehr als ein aufgeräumtes und geputztes Zimmer. Um bei diesem Beispiel zu bleiben - ein Patientenzimmer kann ordentlich gereinigt sein; wurden aber die Vorgaben zur Desinfektion und Bettenaufbereitung nicht eingehalten, ist es nicht hygienisch und entspricht damit nicht unseren Standards.