Die Kunst der Begleitung von Angehörigen schwerkranker und sterbender Menschen - so lautete der Titel des 19. Palliativ- und Hospiztags im Landkreis Biberach, der am 2. Juli 2022 von 9.00 Uhr bis 13.15 Uhr im evangelischen Martin-Luther-Gemeindehaus mit über 100 Teilnehmern stattfand.
Die Begleitung und Versorgung unheilbar Kranker stellt für Angehörige häufig eine große Herausforderung dar. Sie befinden sich in einer Doppelrolle, sind einerseits die zentrale Quelle der Unterstützung für den Patienten, andererseits aber auch Mitbetroffene. Sie leiden oft selbst unter Schlafstörungen, Angst und depressiven Verstimmungen. Bestehende Konflikte innerhalb einer Familie werden durch die Palliativsituation oft verschärft, Belastungen und alte Schuldgefühle können erneut aufkommen. „Der Umgang mit schwierigen Gefühlen wie Trauer, Wut, Angst etc. und die Balance zwischen Pflege des sterbenden Angehörigen und eigener Selbstfürsorge sind wichtige Themen“, so Dr. Michaela Mohl, Vorsitzende des Fördervereins Hospiz, die die Veranstaltung moderierte.
Im ersten Teil kamen betroffene Angehörige zu Wort, z.B. eine Mutter, die zwei ihrer Kinder an einer unheilbaren Stoffwechselstörung verlor, ein Bruder, der seine Schwester mithilfe der SAPV Biberach (spez. amb. Palliativversorgung) in ihrem Zuhause bis zum Tod begleiten konnte, sowie ein Sohn und eine Ehefrau, die ihre Lieben im stationären Hospiz Haus Maria Biberach beim Sterben begleiteten.
Im zweiten Teil kamen unterschiedliche Berufsgruppen zu Wort, die im beruflichen oder ehrenamtlichen Kontext Angehörige von Sterbenden begleiten. Die stellvertretende Leiterin des Hospiz Haus Maria, Martina Haitz, berichtete über wichtige Rituale, die das Abschiednehmen im Hospiz für die Angehörigen erleichtern und stellte ein Buch für Kinder vor, deren Elternteil im Sterben liegt. Die Palliativärztin Monika Fuchs von der SAPV Biberach hob hervor, dass sich Angehörige und SAPV-Mitarbeiter gegenseitig „blind vertrauen“ können müssen, um den Sterbenden gut und adäquat versorgt zu wissen und dies die wichtige Rolle der Angehörigen beim Sterben im häuslichen Umfeld aufzeige. Christa Müller, Oberärztin an den Sana Kliniken Biberach und Vorsitzende des dortigen Ethikkomitees betonte, dass auch Ärzte und Pflegende an ihre Grenzen stoßen bei der Begleitung von Sterbenden, dass es oft um das gemeinsame Aushalten schwieriger Situationen gehe. Wenn Angehörige überhöhte Erwartungen an die medizinische Behandlung hätten, obwohl diese dem Patienten nicht mehr wirklichen Nutzen bringen, komme es oft zu Konfliktsituationen. In diesen Fällen werde ein Ethikkonsil einberufen, bei dem sich Behandler unterschiedlicher Fachdisziplinen an einen Tisch setzen und nach der prinzipienorientierten Medizinethik beurteilen, was medizinisch indiziert und sinnvoll ist; hierbei stehen der Wille des Patienten und sein Wohl im Vordergrund. Von der ehrenamtlichen Hospizgruppe Riedlingen-Uttenweiler kamen Marlies Bühler und Bernd Kreuzer zu Wort, die sich vor allem wünschten, möglichst frühzeitig im Sterbeprozess mit eingebunden zu werden. Darauf reagierte prompt Bettina Michelis, Leiterin des Seniorenzentrums Heilig Geist in Laupheim. Sie erwähne bei Infoabenden für Angehörige immer die ambulanten Hospizgruppen und deren hilfreiche Unterstützung, oft löse aber das Wort „Hospiz“ oder „palliativ“ große Ängste bei den Heimbewohnern und ihren Verwandten aus. Hier wird sehr deutlich, dass der Wunsch, die palliative und hospizliche Betreuung schwerkranken Menschen frühzeitig anzubieten, von den Einrichtungen durchaus unterstützt wird, das bewusste Sich-Befassen mit der eigenen Endlichkeit jedoch selbst im Alten- und Pflegeheim nicht erwünscht ist. Silke Jones von der „Kontaktstelle Trauer“ der Caritas Beratungsstelle Biberach zeigte auf, wie einfühlsam sie und ihre Kollegin bei den Gruppentreffen die Themen Trauer und Verlust mit den Betroffenen angehen. Der gegenseitige Austausch und die Ähnlichkeit des Erlebten geben dabei Halt und Unterstützung. Im letzten Beitrag stellte Axel Rieber, niedergelassener Allgemeinarzt und Palliativmediziner in Biberach, den Zusammenhang zwischen Kunst und Sterben bzw. Vergänglichkeit her. Sowohl in Texten als auch in Bildern versuchen sich die Menschen seit jeher mit dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen und erfahren in der Kunst ein hilfreiches Medium.
Eine Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltung schaffte Raum für Diskussion zwischen Referenten und Teilnehmern. Ziel des 19. Palliativ- und Hospiztages war es, den Umgang mit Angehörigen von Sterbenden im Landkreis Biberach aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, um die dabei entstehenden Herausforderungen in Zukunft besser meistern zu können.